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Özals Zukunft von Volksentscheid abhängig

Die Opposition in der Türkei macht die Abstimmung am Sonntag zur Verfassungsänderung zum Prüfstein für die Regierung  ■  Aus Istanbul Ömer Erzeren

Der Geräuschpegel in den türkischen Städten hat sich in den vergangenen Wochen spürbar erhöht.

Dröhnende Musik und Sprechchöre ertönen aus den Lautsprecherboxen, die auf die Wahlkampfbusse der politischen Parteien montiert sind: „Taucht Özal in braune Farbe.

Nein zur Teuerung“, tönt es aus den Bussen der Opposition.

Die Parteibusse der regierenden Mutterlandspartei verkünden: „Weiße Farbe bedeutet Ruhe und Ordnung. Stabilität mit dem Ministerpräsidenten Turgut Özal.“

Die Atmosphäre gleicht dem Wahlkampf zu den Nationalwahlen im November 1987. Mit 36 Prozent der Stimmen errang damals die Partei Özals 290 von 450 Sitzen.

Wählerumfragen der Meinungsforschungsinstitute zeigen, daß kaum einer der türkischen Wähler versteht, worum es bei der Volksabstimmung am kommenden Sonntag geht. 27 Millionen Wähler sollen über eine Verfassungsänderung entscheiden, die zur Folge hätte, daß die Kommunalwahlen statt im Frühjahr nächsten Jahres - so will es die Opposition - am 13.November dieses Jahres - so will es die regierende Mutterlandspartei

-stattfinden. Weiß ist der Wahlzettel für ein „Ja“, braun ist der Wahlzettel für ein „Nein“.

Der Volksentscheid zur Vornahme der Kommunalwahlen, von Ministerpräsident Özal inszeniert, hat sich für seine Regierung zum Bumerang entwickelt. Selbst Anhänger der regierenden Mutterlandspartei sprechen davon, daß der Volksentscheid diesen Sonntag über die Zukunft der Regierung entscheiden wird. Die Opposition erklärte den Volksentscheid zur Vertrauensfrage Özals.

Im Zuge der erhitzten Debatten um den Volksentscheid nahm der Regierungschef die Herausforderung an. „Ich werde je nach Ergebnis des Volksentscheides mein Amt niederlegen. Ich komme aus dem Volk. Ich kehre auch wieder ins Volk zurück“, sprach er im Fernsehen. „Er soll gehen, es ist ohnehin zu spät“, meinte der Vorsitzende der sonst schiedlich -friedlichen Gewerkschaftskonföderation Türk-Is. Der konservative Oppositionsführer Süleyman Demirel hatte nur ein „Bye-Bye“ für Özals Worte übrig.

Die starke inflationäre Entwicklung nach den Nationalwahlen im November vergangenen Jahres bei stagnierenden Löhnen hat die Stellung der Regierung stark angeschlagen.

Wahlprognosen der Meinungsforschungsinstitute gehen davon aus, daß 60 bis 70 Prozent der türkischen Wähler mit „Nein“ stimmen werden. Neuwahlen stünden dann auf der Tagesordnung.

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