BEI DER OSTEOPATHIN : Östrogene
Katrin ist meine Osteopathin. Ich liebe sie sehr, ich verdanke ihr viel! „Wie geht’s dir?“, fragt sie mich einmal die Woche. „Ach“, seufze ich dann, „ich bin so unglücklich. Ich soll einen Text für die taz schreiben, aber mir fällt nichts ein.“ Oder: „Ich will einen Text für die taz schreiben, aber keiner geht ans Telefon.“ Das Übliche eben. Katrin lächelt dann nachsichtig und sagt: „Körperlich, Lea! Wie geht’s dir körperlich?“ Heute bin ich erst zehn Minuten zuvor aus dem Bett gefallen. „Ach“, sage ich, „Kopfschmerzen, Genickschmerzen, Rückenschmerzen.“ – „Was hast’n angestellt?“, fragt Katrin. „Ach!“, seufze ich, „ich muss immer so viel Bier trinken in letzter Zeit wegen der vielen Veranstaltungen, wo sie mich hinschicken.“ – „Und dann knallt dir immer der Kopp auf die Tischplatte, oder wie?“ Manchmal glaube ich, sie nimmt mich nicht ernst. „Bauchlage!“, befiehlt Katrin. Langsam arbeiten sich ihre Hände meine Wirbelsäule hoch. Sie schiebt, sie drückt, sie rüttelt. Ein bisschen wie Kremser fahren. Nur im Liegen. „Du weißt schon“, sagt Katrin, „dass in Bier Östrogene drin sind, oder?“ – „Bitte?“ – „Ja“, sagt sie, „die machen die Hüften breiter und nehmen die Spannung aus dem Bindegewebe.“ – „Och, Katrin!“, presse ich durch die Öffnung in der Behandlungsliege hervor, in die sich das Gesicht immer so hineindrückt, dass man nachher aussieht, als hätte man versucht, es durch ein riesiges Schlüsselloch zu schieben. „Bitte, Katrin, verschone mich! Ich habe einfach nur einen Kater!“ Katrin ist erbarmungslos, manchmal. Und sie hat ein großes manipulatives Talent. Seit meine Tante Erna mal bei ihr in Behandlung war, schluckt sie jeden Morgen Leinöl mit Zitronensaft und Pfeffer. Wegen irgendwelcher Säurehaushalte. „Na“, sagt Katrin, „ich wollt’s dir ja bloß gesagt haben. Nich, dass du dich nachher wunderst. In 20 Jahren.“ Seitdem trinke ich abends Wasser, wenn ich zu Hause bin.
LEA STREISAND