Österreichs Konservative im Denkprozess: Homoehe mit Zeremonie erwogen
Lange sträubte sich die konservative ÖVP, nun erwägt sie, einer Homo-Ehe mit Zeremonie zuzustimmen. Doch nicht alle Parteimitglieder sind dafür.
WIEN taz Es geschehen noch Zeichen und Wunder. Zumindest in Österreich. Seit einigen Tagen kann sich die konservative ÖVP vorstellen, die standesamtliche Eintragung von homosexuellen Partnerschaften nicht nur zuzulassen, sondern ihr durch eine Zeremonie einen feierlichen Rahmen zu gewähren.
Der Sinneswandel ist einem Kompromisspaket mit dem Koalitionspartner SPÖ zu verdanken, mit dem ein Neustart der Regierung versucht werden soll. Drei Wochen lang hatten die Regierungspartner einander mehr oder wenige grobe Unfreundlichkeiten via Medien und Presseaussendungen der Parteisekretariate ausgerichtet. Die ÖVP hatte bereits einen kompletten Plan für Neuwahlen im Juni in der Schublade.
Da beide Parteien bei vorgezogenen Wahlen aber mit Verlusten rechnen mussten, einigten sich die Parteichefs Alfred Gusenbauer (SPÖ) und Wilhelm Molterer (ÖVP) gleichsam in letzter Minute auf ein Arbeitsprogramm, in dem zu allen bisherigen Streitpunkten gemeinsame Positionen festgeschrieben waren. Teilweise allerdings so vage formuliert, dass deren Interpretation wieder für Konfliktstoff sorgen dürfte. Die von der SPÖ schon lange geforderte Gleichstellung homosexueller Partnerschaften war offenbar ein Punkt, bei dem die ÖVP Entgegenkommen signalisieren konnte.
Das Diskriminierungsverbot von Homosexuellen wurde in Österreich erst durchgesetzt, als eine EU-Richtlinie die Regierung unter Druck setzte. Die stark mit der Katholischen Kirche verbundene und bei den konservativen Bauern verankerte ÖVP hatte gemauert, solange es ging. Nach der Wahlschlappe 2006 setzte die ÖVP eine Perspektivengruppe ein, die den Auftrag hatte, das Parteiprogramm zu durchlüften und die Christdemokraten für die modernen Zeiten fit zu machen. Eines der Ergebnisse, das Landwirtschaftsminister Josef Pröll als Leiter der Gruppe letztes Jahr präsentierte, war ein Umdenken in Sachen "Homoehe".
Justizministerin Maria Berger (SPÖ), die sich seit Beginn ihrer Amtsführung für die standesamtliche Eintragung eingesetzt hatte, wollte umgehend einen Gesetzesentwurf in Begutachtung schicken, um die eingetragene Partnerschaft noch vor Jahresende ins Parlament zu bringen. Da stieg die ÖVP sofort wieder auf die Bremse. Statt vor dem Standesamt könnte man die Eintragung doch vor einem Notar vornehmen, hieß es, und Zeremonie könne man sich nicht vorstellen. Die solle der Ehe zwischen Mann und Frau vorbehalten bleiben, zu deren Heiligkeit praktisch alle maßgeblichen Parteifunktionäre ein spontanes Bekenntnis ablegten. Es wurde eine Arbeitsgruppe eingesetzt. Damit lag die Homo-Ehe wieder auf Eis.
Seit der Aktion Neustart knapp vor Ostern präsentieren sich die Koalitionspartner in betonter Harmonie. Das Einlenken der ÖVP-Spitze in Sachen gleichgeschlechtliche Partnerschaft wird allerdings nicht von allen Regierungsmitgliedern geteilt. Während Josef Pröll den Unterschied zur Hetero-Ehe mit dem Adoptionsverbot ausreichend gewahrt sieht und meint: "Zeremonie ja oder nein kann doch nicht ein Streitthema sein. Jeder soll so feiern können, wie er will", bleibt Innenminister Günther Platter unflexibel. Der Tiroler will keine Schwulen und Lesben am Standesamt sehen: "Diese Causa fällt in meine Zuständigkeit als Innenminister, das wird mein Freund Sepp Pröll zur Kenntnis nehmen müssen." In dieser Position wird Platter jetzt auch von seinem Parteichef Molterer bestärkt.
Vielleicht muß der Handlungsbedarf wieder einmal von der EU ausgehen, die den Debatten in Österreich mindestens zwei Schritte voraus ist. Da hat nämlich am Dienstag der Europäische Gerichtshof in Luxemburg entschieden, dass Witwenrenten auch für hinterbliebene homosexuelle Partner zu gelten haben.
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