: Österreichischer Charme ist in, Muskeltennis ist out
■ Die Wienerin Barbara Schwartz ist die erste Qualifikantin im Viertelfinale der French Open, bei denen die Arrivierten den Kreatin-Angriff noch einmal abgeschmettert haben
Paris (taz) – „Weitere englische Fragen?“ ruft die Organisatorin der Pressekonferenz . „Hoffentlich nicht“, murmelt Barbara Schwartz und lacht. An diesem Tag lacht sie, wann immer es geht. Sie genießt einfach eine bedeutende Lebenspremiere nach der anderen. Die Wienerin ist die erste Spielerin bei den Internationalen Französischen Meisterschaften überhaupt, die als Qualifikantin im Viertelfinale steht.
Jetzt sitzt Schwartz (20) zum ersten Mal vor der versammelten Weltpresse und müht sich ab, alle Fragen der Medienvertreter auf englisch zu beantworten. Über eine halbe Stunde prasseln fremdländische Stimmen auf Schwartz ein – 42mal wollen die Profifrager was wissen.
Barbara Schwartz schwitzt, lacht immer wieder und antwortet verlegen charmant: „Nein, ich habe keinen Sponsor, aber vielleicht klappt es jetzt.“ Nach ihrem Sensationssieg (2:6, 7:6, 6:3) gegen die Turnierfavoritin Venus Williams trifft sie heute auf die Weltranglistenerste Martina Hingis (6:3, 7:6 gegen Dragomir).
Die wird die neue Konstellation freuen. Gegen die Muskelfrau Venus Williams wäre der Ausgang sehr ungewiß. Die Schweizerin sieht ihre Nr.-1-Position durch die Powerfrau in Gefahr und attackiert dabei nicht nur auf dem Platz. Ihre Aussage vom Januar über die Französin Amelie Mauresmo (19) mit den unübersehbar maskulinen Zügen, „ich habe gegen einen Kerl gespielt“, ist bereits legendär.
Nur hat die äußere Verwandlung der Französin nichts mit der Gesamttendenz zu mehr Athletik im Frauentennis zu tun. Diese läßt sich nicht aufhalten und wird sich durchsetzen wie der V-Stil im Skispringen. Maßstab über kurz oder lang ist der Erfolg, auch wenn der sich bei Venus Williams in Form eines Grand-Slam-Sieges noch nicht eingestellt hat.
Daß Frauen-Tennisarme allein durch Hanteltraining muskulös werden, sollte eine umfassendere Dopingfahndung sicherstellen, wie Steffi Graf („es wäre genug Geld im Tennis dafür da“) richtig fordert. Wer läßt sich schon gerne betrügen? „Ich hole mir die Fitneß aus dem Training, Kreatin oder andere Präparate brauche ich nicht“, sagt Graf, was sie mit beim 6:3, 7:6 gegen Anna Kurnikowa belegte.
In Paris ist die Offensive der neuen Frauenpower erst einmal abgeblasen. 49 Grand-Slam-Siege bringen die arrivierten Hingis, Sanchez-Vicario, Seles, Davenport, Martinez und Graf (23) mit auf die Riesenarena von Roland Garros im Bois de Boulogne. Eingerahmt werden die Arrivierten vom zweiten Teil des Österreicherinnen-Aufschwungs. Sylvia Plischke (22), Innsbruckerin, in Pilsen/Tschechien geboren und mit sechs Jahren nach Tirol ausgewandert, ist nicht chancenlos gegen Arantxa Sanchez-Vicario. Kürzlich in Rom gewann sie in zwei Sätzen. Plischke (WTA-Nr. 34) wäre gerade auch für die Medienbranche ein Glücksfall, spricht sie doch vier Fremdsprachen. Karl-Wilhelm Götte
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