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„Österreich ist nicht erledigt“

Der Fraktionssprecher der österreichischen Grünen, Alexander van der Bellen, zu den Perspektiven linker Opposition unter der neuen Regierung

taz: Es heißt, das Erstarken der FPÖ habe mit dem Überdruss der Menschen an der erstarrten großen Koalition zu tun. Warum haben davon die Grünen als zweite Oppositionspartei nicht profitiert?

Van der Bellen: Noch nicht. Bei den Wahlen im Oktober haben Freiheitliche und Grüne dazugewonnen, also die beiden Pole des politischen Spektrums. Inzwischen stehen die Grünen Umfragen zufolge zwischen 14 und 16 Prozent bundesweit. Das wäre eine Verdopplung des Ergebnisses vom Oktober.

Sie machen jetzt Oppositionspolitik gemeinsam mit der SPÖ. Wird sich daraus ein stabiler rot-grüner Block bilden, der in Zukunft auch mehrheits- und regierungsfähig sein könnte?

Ich habe noch meine Distanz dazu. Im letzten Jahr und auch im Wahlkampf war einer unserer härtesten Gegner natürlich der sozialdemokratische Innenminister, der über Rasterfahndung, Lauschangriff, Abschiebehaft für Asylsuchende und in der ganzen Ausländerfrage Positionen vertreten hat, die denen der FPÖ verdammt nahe gekommen sind. Jetzt ist die SPÖ in der Opposition, da kommt einiges in Bewegung – wir werden sehen.

Am Samstag wird die Opposition zur neuen Regierung vermutlich die größte Demonstration in der Geschichte der Zweiten Republik veranstalten. Kann man von einer neuen linken Dynamik sprechen?

Es verändert sich etwas. Die Wähler sind in Bewegung, aber das sind auch viele christlich-soziale Wähler der ÖVP, welche die Regierungsbildung mit der FPÖ nicht gutheißen. Die sind nicht links. Richtig ist, dass Intellektuelle, Künstler, die Grünen als Avantgarde des politisch anderen Österreichs einen Aufschwung erleben und sich wieder politisieren.

Ist der Rechtsruck also ein Glücksfall für die Linke?

Nein, ich habe mir das wirklich nicht gewünscht. Aber ich bin Optimist: Österreich ist nicht erledigt.

Die neue Außenministerin Benita Ferrero-Waldner hat gesagt, das Ausland solle die neue Regierung doch an ihren Taten beurteilen, nicht an Vorurteilen. Das Regierungsprogramm liest sich ja sehr moderat. Sollte man nicht wirklich viel gelassener sein?

Das Regierungsprogramm liest sich relativ moderat, wenn man etwas Faschistisches erwartet hätte. Darin steht aber nicht, was sich Freiheitliche und vor allem Jörg Haider immer wieder leisten. Damit meine ich zum Beispiel die Äußerung des neuen Finanzministers, der in seinem ersten großen Interview mit einem Wochenmagazin sagt, er „war jetzt in dem Theater, dass sich Parlament nennt“. Das erinnert mich schon verdammt an die Nazisprüche vom Parlament als „Quatschbude“. Diese Sachen stehen in keiner Regierungserklärung, das sind auch keine Taten. Aber das zeigt, warum wir so besorgt sind. Diese untergründigen Töne, dieses Hintupfen an etwas, das tabu sein sollte.

Auch Haider-Gegner in Österreich sagen ja, dass die Reaktionen der EU unter Umständen eher kontraproduktiv sind. Was haben Sie dem deutschen Außenminister Fischer dazu gesagt?

Außenminister Fischer und ich waren uns einig, dass die Reaktionen der 14 EU-Länder nicht gegen Österreich gerichtet sind, sondern gegen die neue Bundesregierung. Es ist richtig, dass so etwas immer so einen nationalen Schulterschluss herbeiführen kann. Aber die meisten Leute verstehen den Unterschied.

Interview: Bernd Pickert

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