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Österreich bangt um seine Neutralität

Über 360.000 Menschen unterschreiben ein Volksbegehren der Bürgerinitiative „Nein zur EU“ gegen Nato- und WEU-Beitritt. Jetzt muß sich das Parlament mit dem Entwurf befassen  ■ Aus Wien Daniel Asche

Die in der Verfassung verankerte „Immerwährende Neutralität“ Österreichs hat in der Bevölkerung eine große Lobby: 360.000 Bürger unterschrieben ein Volksbegehren für die Beibehaltung der militärischen Unabhängigkeit des Landes. 6,2 Prozent der Österreicher haben damit klargemacht, daß sie nach dem EU-Beitritt Österreichs im letzten Jahr gegen einen Beitritt zu Nato und WEU sind, der vor der EU-Regierungskonferenz immer häufiger diskutiert wird. Zumindest fordert die Bürgerinitiative „Nein zur EU“, die das Volksbegehren angestrengt hat, daß vor einem eventuellen Nato-Beitritt eine Volksabstimmung stattfinden muß. In den nächsten Monaten muß sich nun das Parlament mit dem Gesetzentwurf beschäftigen.

Besonders Vizekanzler und Außenminister Wolfgang Schüssel (ÖVP) hatte in den letzen Wochen wiederholt einen Nato-Beitritt Österreichs angeregt. Sein Argument: Nur so könne der veränderten Sicherheitslage in Europa Rechnung getragen werden.

Bundeskanzler Franz Vranitzky und seine Sozialdemokraten sehen das anders. Sie fühlen sich durch das Ergebnis des Volksbegehrens in ihrer Haltung bestärkt, in nächster Zeit nicht an der Neutralität des Landes zu rütteln. SPÖ-Fraktionsmitglied Cristian Kern zur taz: „Ein Nato-Beitritt bringt Österreich schlicht gar nichts, deshalb sind wir über das Ergebnis eigentlich ganz froh. Nur mit den Initiatoren des Volksbegehrens möchten wir nichts zu tun haben.“ Verständlich, denn die Bürgerinitiative „Nein zur EU“ hat eigentlich mehr im Sinn als nur die Neutralität. „Das sind politisch rechts angesiedelte, kryptische Menschen“, so ein Abgeordneter, der nicht zitiert werden will. „Solche haben Sie in Deutschland doch auch, oder?“

Das Thema Neutralität hat in Österreich traditionell einen hohen Stellenwert, denn vierzig Jahre lang garantierte dieser Status eine identitätsstiftende Sonderstellung zwischen Ost und West. Viele fürchten jetzt, Österreich könne durch den Beitritt zu westlichen Sicherheitsstrukturen seine Eigenständigkeit in der Außenpolitik verlieren.

Noch mehr Erfolg hatte allerdings ein weiteres Volksbegehren: Rund 460.000 Unterschriften, das entspricht 8 Prozent der Wahlberechtigten, hat eine Bürgerinitiative gesammelt, die sich für ein verbessertes bundeseinheitliches Tierschutzgesetz in Österreich einsetzt. Gleichzeitig fordern die Initiatoren die Verankerung von Tier- und Umweltschutz in der Verfassung. Auch mit dieser Initiative muß sich nun das Parlament beschäftigen.

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