Öltransport aus dem Südsudan: Schwarzes Gold für weiße Strände
Falls Südsudan unabhängig wird, will es sein Öl über Kenia exportieren. Die Pipeline dafür soll ausgerechnet zu einer beliebten Ferieninsel am Indischen Ozean führen.
NAIROBI taz | Die mögliche Unabhängigkeit von Südsudan reizt nicht nur die Südsudanesen, sondern auch das ostafrikanische Ausland, das auf neue wirtschaftliche Chancen setzt. Südsudan hat reiche Ölvorkommen, die derzeit über den Norden des Landes exportiert werden. Aber nach der Unabhängigkeit, für die die Südsudanesen aller Wahrscheinlichkeit nach am 9. Januar stimmen werden, ist der Norden Sudans Ausland, und der neue Staat wird seine Abhängigkeit vom Norden verringern wollen. Nun wollen Chinesen eine Pipeline bauen, die von Südsudans Ölgebieten bis zur kenianischen Insel Lamu im Indischen Ozean reicht.
Ungefähr 80 Prozent der sudanesischen Ölvorkommen liegen im Süden. Derzeit holt die Regierung in der Hauptstadt Khartum das schwarze Gold aus dem Boden und leitet es über eine von Chinesen gebaute Pipeline nach Port Sudan am Roten Meer für den Export. Im Friedensabkommen von 2005 ist vereinbart, dass Khartum die autonome Südsudan-Regierung in Juba dafür bezahlt. Aber immer wieder bekommt der Süden kein Geld oder wird in sudanesischen Pfund bezahlt, obwohl US-Dollar vereinbart waren.
Die Möglichkeit, sich beim Ölexport vom Norden unabhängig zu machen, ist für Südsudan sehr verlockend - vor allem, wenn China dabei mitspielt. China ist einer der Hauptförderer und der Hauptabnehmer sudanesischen Öls. Südsudan wirft Peking seit Jahren vor, mit seinen Zahlungen für Sudans Öl der Regierung in Khartum den Kauf chinesischer Waffen zu ermöglichen. Jetzt reisen aber Mitglieder der südsudanesischen Regierung regelmäßig nach Peking. Anne Itto, Südsudans Agrarministerin, sagte kürzlich nach einem solchen Besuch: "Die chinesische Regierung fürchtet Gewalt zwischen Nord und Süd, wenn wir für Unabhängigkeit stimmen, was die chinesischen Investitionen gefährden würde. Ich habe den Chinesen gesagt, dass sie ihr Eigentum am besten durch gute Beziehungen mit der Regierung von Südsudan schützen."
Ausgerechnet Kenias Ferieninsel Lamu, 1.500 Kilometer von Südsudan entfernt, soll dafür nun herhalten. Lamu mit seinen bei Touristen beliebten weißen Stränden ist eine hübsche kleine Insel mit einer Stadt aus Korallen und Mangrovenholz. Fahrzeuge gibt es außer dem Krankenwagen und dem Polizeiauto nicht. Der Transport geschieht per Esel: Tausende davon wandern auf der Insel herum. Lamu ist die älteste Swahili-Ansiedlung entlang der ostafrikanischen Küste und steht auf der Unesco-Liste geschützter Gebiete. Swahilis sind Nachkommen arabischer Händler, die ab dem 12. Jahrhundert Ostafrika besuchten und sich mit lokalen Einwohnern mischten. Sie entwickelten eine einzigartige Kultur und Sprache.
Kenias Regierung will Lamu nun in den zweitgrößten Hafen des Landes verwandeln. Mombasa, 200 Kilometer südlich, ist überfüllt, weil sich hier die Im- und Exporte ganz Ostafrikas stauen. Nach Lamu soll Öl nicht nur aus Südsudan strömen, sondern auch aus Uganda. Eine Raffinerie soll dafür entstehen. Auch Äthiopien ist an Lamu interessiert, weil es selbst keinen Zugang zum Meer hat.
Japan hat schon Interesse gezeigt, sich an dem mehr als 10 Milliarden Euro teuren Hafenprojekt zu beteiligen. "So ein Projekt würde den ganzen Norden von Kenia erschließen, der bis jetzt vernachlässigt ist", meint Kenias Vizepräsident Kalonzo Musyoka. Er verweist auf die guten, schnell wachsenden Wirtschaftsbeziehungen zu China und Japan. Kenia sei für die gesamte Region "das Fenster nach Osten", lobte der japanische Kronprinz Naruhito dieses Jahr.
Aber Kultur- und Umweltschützer und die Touristenindustrie befürchten, dass die zauberhafte Insel zu einer schmutzigen Hafenstadt verkommt, der Tourismus verschwindet, die Kultur verloren geht und die Umwelt zerstört wird. Bereits jetzt gibt es auf Lamu mit seinen 35.000 Einwohnern ein Trinkwasserproblem.
Fischer in Lamu können sich zwar vorstellen, dass ein Hafen Vorteile bringt, aber zugleich könnte die Handelsschifffahrt ihre Arbeit gefährden. "Wir sind seit Hunderten von Jahren abhängig von Fischerei", meint Fischer Ali Juma Mondhar. "Wir haben Angst, dass wir unser Einkommen verlieren." Aber nur wenige hören in Afrika auf Fischer und Umweltschützer. Wirtschaft ist wichtiger.
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