Ökonom über EZB-Geldpolitik: „Die Spekulationsblase ist schon da“
Helge Peukert fordert von der Europäischen Zentralbank Investitionen in nachhaltige oder soziale Projekte – und nicht in die Finanzindustrie.
taz: Mario Draghi flutet die Finanzmärkte mit noch mehr EZB-Milliarden. Ist seine Strategie des kostenlosen Geldes nicht längst verpufft?
Peukert: Ja. Im Grunde wissen das ja auch die meisten. Und höchstwahrscheinlich sogar die Notenbanker selbst. Warum wird es dann gemacht? Weniger, wie offiziell behauptet, um die Inflation maßvoll anzutreiben, sondern um den Außenwert des Euro zu schwächen. Um so die Exporte der Industrie anzukurbeln. Dieses Ziel wird auch erreicht. Zweitens, um die Zinsen für Staatsanleihen runterzudrücken. Unterm Strich sehe ich die EZB-Politik negativ.
Warum?
Das billige Geld treibt die Aktienkurse nach oben.
Der 59-Jährige forscht als außerplanmäßiger Professor am Lehrstuhl für Finanzwissenschaft und Finanzsoziologie der Uni Erfurt und gehört dem Netzwerk Plurale Ökonomik an.
Droht da nicht eine Spekulationsblase?
Natürlich. Sie droht nicht, sie ist eigentlich schon da, wenn ich mir beispielsweise die Entwicklung des DAX anschaue. Darum sind die oberen Schichten auch für die EZB-Politik: Geldanlagen und Vermögenswerte werden immer weiter aufgeblasen. Die Reichen werden reicher.
Durch das „Quantitative Easing“ der EZB fließen über eine Billion Euro auf die Finanzmärkte. Wären nicht reale Investitionen in saubere Industrien viel nachhaltiger?
Ja. Es müsste einen Paradigmenwechsel in Frankfurt geben. Die Initiative „Quantitative Easing for People“ fordert, dass die Abermilliarden nicht in den Finanzsektor fließen. Sondern Menschen helfen und eine nachhaltige Entwicklung direkt finanzieren, ökologische Projekte fördern, Arbeit schaffen. Von England aus läuft weltweit jetzt eine Unterschriftenkampagne auf qe4people.eu an.
Wie kommen EZB und amerikanische Fed aus der Niedrigzinsfalle heraus, ohne dass die Wirtschaft zusammenbricht? Die hat sich an das billige Geld gewöhnt.
Wir brauchen einen Schuldenschnitt. Die EZB könnte alle Staatsschulden über 60 Prozent aufkaufen und die Abzahlung auf hundert Jahre strecken – und dadurch neutralisieren. Um einen Bezug zur Klimakonferenz herzustellen: Die EZB kauft beispielsweise die Schulden Griechenlands auf und macht dann „Debt for Nature“ – dafür befreien die Griechen das Mittelmeer vom Plastikmüll.
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