Obdachloser gestorben: Drogentod unterm Moritzplatz
Der tote Obdachlose im U-Bahnhof Moritzplatz ist wohl durch Drogenkonsum gestorben. Unklar ist, warum ein zugesagter Wartecontainer immer noch nicht steht.
Der Tod des 55-jährigen obdachlosen Mannes, der in der Nacht zu Sonntag leblos auf der Zwischenebene des Kreuzberger U-Bahnhofs Moritzplatz gefunden wurde, war nach Angaben der Berliner Stadtmission durch Drogenkonsum bedingt. „Er ist nach unseren Erkenntnissen nicht erfroren, sondern den Drogentod gestorben“, sagte Sprecherin Ortrud Wohlwend am Montag zur taz. Die Bahnhofs-Zwischenebene ist während der Kälteperiode für schutzsuchende Menschen geöffnet, die Stadtmission leistet aufsuchende Sozialarbeit.
Auch die Polizei bestätigte am Montag, dass es sich wohl nicht um ein Gewaltverbrechen handele. „Wir gehen nicht von Fremdverschulden aus“, sagte ein Sprecher. Es gebe nun ein „ganz normales Ermittlungsverfahren“, der Leichnam werde im Laufe der Woche obduziert, um die genaue Todesursache festzustellen. Die Senatssozialverwaltung will nach Angaben ihrer Sprecherin Karin Rietz das Ergebnis der Ermittlungen abwarten. „Dass hier ein Mensch gestorben ist, ist tragisch. Wir bedauern das sehr“, so Rietz.
Laut BVG-Sprecherin Petra Reetz sei der später Verstorbene bei einem Kontrollgang durch Mitarbeiter der Verkehrsbetriebe ansprechbar gewesen. Grundsätzlich behielten die BVGler die Lage in den Bahnhöfen auch nachts ständig im Blick. „Allerdings sind wir keine Profis in Sachen Sozialarbeit“, gibt Reetz zu bedenken. Der Umgang mit den Obdachlosen sei oft sehr schwierig, viele sprächen kein Deutsch und seien ängstlich oder misstrauisch – auch untereinander.
Ein Besuch der Bahnhofs-Zwischenebene offenbart auch tagsüber: Viele, die hier Zuflucht vor der Kälte suchen, sind selbst für Sozialarbeiter nur schwer zu erreichen. Sie konsumieren harte Drogen, was sie nur notdürftig verbergen, indem sie sich ihren Schlafsack über den Kopf ziehen. Stadtmissions-Mitarbeiter Ulrich Neugebauer sagte der taz, rund 90 Prozent der Obdachlosen im U-Bahnhof seien drogenabhängig: „Das ist eine besondere Klientel, die sich von der an anderen Hotspots unterscheidet.“ Der Verstorbene sei seinen KollegInnen bekannt gewesen, er habe Angebote abgelehnt, in eine Unterkunft der Berliner Kältehilfe gebracht zu werden.
Die Verwaltung von Senatorin Elke Breitenbach (Linke) hatte im Herbst Druck auf die BVG ausgeübt, Teile von Bahnhöfen als nächtliche Kälte-Zuflucht zu öffnen, nachdem die Verkehrsbetriebe angekündigt hatten, dies aus Gründen der Sicherheit und Hygiene nicht mehr tun zu wollen. Die schließlich gefundene Lösung sieht vor, dass die BVG die Zwischengeschosse in den U-Bahnhöfen Moritzplatz und Lichtenberg zur Verfügung stellt. Die Sozialverwaltung ließ Dixi-Toiletten aufstellen und organisierte aufsuchende Soziarbeit durch die Stadtmission am Moritzplatz und den Verein Karuna in Lichtenberg.
Warten auf den Container
Aus der Sicht von Ulrich Neugebauer ist die zugige Zwischenebene unter dem Moritzplatz eigentlich gar kein zumutbarer Übernachtungsort. Es sei auch von vornherein mit der Sozialverwaltung vereinbart gewesen, dass ein Wartecontainer auf dem Moritzplatz aufgestellt werde. Schlafplätze solle es darin nicht geben – „wir wollen nicht unsere eigenen Standards noch weiter absenken“ –, aber die Möglichkeit, sich im Warmen aufzuhalten und heißen Tee zu trinken. Warum dieser Container selbst auf sich warten lässt, konnte auch Neugebauer nicht sagen. Für den Dienstag sei ein Gesprächstermin mit der Sozialverwaltung vereinbart, wo das geklärt werden solle.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut
Wirkung der Russlandsanktionen
Der Rubel rollt abwärts
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Antisemitismus in Berlin
Höchststand gemessen
Rauchverbot in der Europäischen Union
Die EU qualmt weiter