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Archiv-Artikel

ORTSTERMIN: IM GEWÄCHSHAUS BEI DER TITANENWURZKNOSPE Warten auf das große Stinken

Damit niemand das Spektakel verpasst, haben die Mitarbeiter des Botanischen Gartens eine Webcam eingerichtet

Heiß und feucht ist es im Gewächshaus Viktoria in Kiel. Wasser plätschert, Mangroven, Mangobäume und Papyruspflanzen wachsen in die Höhe, es riecht nach nasser Erde. Noch. Im Teich des Viktoriahauses steht eine Titanenwurz und streckt ihre gigantische Knospe aus dem Terrakottatopf. Am Mittwoch, so prognostizieren Gärtner, wird sich die Blüte öffnen und einen atemraubenden Gestank verbreiten.

Titanenwurze gelten als die größten Blumen der Welt, sie stammen aus Indonesien und blühen nur sehr selten. Das ist vielleicht auch gut so, denn während ihrer zweitägigen Blütezeit verströmt die sogenannte Täuschungsblume einen Geruch nach verwesenden Kadavern, um ihre Bestäuber anzulocken.

Am Montagvormittag ist der Andrang im Gewächshaus begrenzt, einige Neugierige, ausgerüstet mit teuren Kameras, stehen vor der Pflanze. Die meisten wussten, dass die Titanenwurz noch gar nicht blüht. „Ich wollte trotzdem mal schauen“, sagt Wiebke Nicoleisen. Sie arbeitet auf dem Universitätscampus und hat es nicht weit. Momentan schaut sie jeden Morgen nach, ob die Blüte über Nacht aufgegangen ist. „Die Pflanze finde ich eigentlich ziemlich hässlich“, gesteht sie, „aber irgendwie ist sie auch beeindruckend, weil sie so lange gebraucht hat.“ Familie Mantei aus Hannover ist gar nicht wegen der Blume da, sie wollten nur die Gewächshäuser besichtigen. An der Titanenwurz kommen sie trotzdem nicht vorbei. „Sieht aus wie eine gigantische Zucchiniblüte“, finden sie.

In Kiel wartet man gespannt auf das Erblühen. Am Wochenende verkündeten die Kieler Nachrichten das baldige Aufgehen der eineinhalb Meter hohen Blüte. Die rund 1.000 Besucher, die hoffnungsvoll die Gewächshäuser am Wochenende besuchten, wurden jedoch enttäuscht: Die Riesenpflanze lässt sich Zeit. Das verwundert nicht, rund 15 Jahre pflegen die Gärtner des Botanischen Gartens schon das Gewächs, das viel empfindlicher ist, als es aussieht, und intensiver Pflege bedarf.

„Meine Kollegen haben schon über mich gelacht“, sagt Gärtnerin Sonja Tobin, die sich seit neun Jahren um die Pflanze kümmert, „aber jetzt bin ich stolz“. Die Gärtner im Botanischen Garten haben um Kuchen gewettet, wann die Blüte aufgeht. „Als wir gemerkt haben, dass es losgeht, waren wir hier alle ganz hysterisch, haben ständig geguckt und gemessen, das hat sich inzwischen in bisschen gelegt“, sagt Tobin. Sie hatte auf Sonntag getippt und wie die meisten ihrer Kollegen schon verloren.

Damit niemand das Spektakel verpasst, haben die Mitarbeiter des Botanischen Gartens jetzt eine Webcam eingerichtet. Mehr als 2.000 mal wurde der Live-Stream zum Titanenwurz auf der Homepage des Gartens angeklickt.

Bis zu 150 Metern weit können Titanenwurze die Luft verpesten, „in dem kleinen Gewächshaus und bei der feuchten, heißen Luft wird das ganz schön stinken“, sagt Tobin. Wenn es soweit sein wird, vermutet sie, werden die meisten Besucher die „Nase schnell voll haben“. Sie selbst will aber auf jeden Fall einen Abend bei der am späten Nachmittag erblühenden „Diwa“ verbringen. SOLVEJ LÜDKE