ORTSTERMIN: DIE SCHLESWIG-HOLSTEINISCHE SPD TINGELT AUF IHRER SPITZENKANDIDATEN-SUCHE ÜBERS LAND UND KOMMT NACH TARP : „One Sozi, one vote“
Die Parkplätze rund um den „Landgasthof“ in Tarp sind reichlich bemessen, an diesem Abend aber reichen sie kaum aus: Bereits eine halbe Stunde, bevor es drinnen im Saal losgeht, schieben sich die Wagen in die letzten Stellbuchten. Drinnen werden Stühle geschleppt, vor die vorderen Sitzreihen noch zwei weitere gebaut: „Die Letzten werden die Ersten sein“, grinst ein Mann, der einen der Plätze ergattert. Die Stimmung ist bestens, die 350 Besucher sind erwartungsfroh. Dabei gibt es bloß Politik: Vier Kandidaten, eine Moderatorin, mehr als zwei Stunden Zuhören.
Doch die Suche der SPD Schleswig-Holstein nach ihrem Spitzenkandidaten für die Landtagswahl hat sich zum Schlager entwickelt, zu einer Tournee mit Magnetwirkung. 16-mal stellten sich Torsten Albig, Brigitte Fronzek, Ralf Stegner und Mathias Stein Parteimitgliedern und Gästen vor, und bei der letzten Runde ist der Saal ebenso voll wie letzten November bei der ersten Veranstaltung. 5.000 Besucher sollen die Sache schon gesehen haben. Einige Leute sind sogar mehrmals dabei, wie jene Frau, die ihre Frage nach Gemeinschaftsschulen mit der Bemerkung einleitet, neulich habe sie sich an Torsten Albig, den Kieler Oberbürgermeister, gewandt, nun wolle sie von Landesparteichef Ralf Stegner eine Antwort.
Karsten Hansen, SPD-Mitglied und aktiv im Ortsverein Munkbrarup, sagt: „Natürlich kenne ich die vier schon und weiß, wofür sie stehen. Aber wie halten sie es mit der Verschuldung, wie stehen sie zum Sparkurs, wie geben sie sich hier?“
Andere Gäste bestätigen: Einmal selbst dabei sein, die KandidatInnen selbst befragen dürfen, zuhören, wie gut die Argumente sind. „Meine Meinung steht bereits fest, zu 100 Prozent“, sagt eine Frau, die extra aus Kiel angereist ist, weil sie die dortige Vorstellungsrunde verpasst hat. „Aber ich wollte die Chance nutzen, ein Livebild zu kriegen.“
Die Parteivorderen sind höchst erfreut und vermutlich selbst überrascht. Aber gegen Erfolg wehrt sich keiner, vor allem Ralf Stegner klopft sich auf die Schulter: „Die anderen Parteien beneiden uns darum.“ 180 Mitglieder seien im Zuge des Castings in die SPD eingetreten.
Mitten im Raum sitzt Pia: Die blonde Elftklässlerin zählt zu den Jüngsten im Saal, in dem optisch die grauen Häupter überwiegen. Als Nicht-Mitglied kann sie nicht mitstimmen, aber als ihr Vater sie fragte, ob sie mitfahren wolle, habe sie gleich ja gesagt: „Einmal bei so was teilnehmen“, sei etwas Besonderes.
Mit den Vorwahlen belebe die SPD die innerparteiliche Demokratie und setze eine neue Messlatte, sagt Bettina Hagedorn, die stellvertretende Landesparteichefin: „So viel Offenheit bei Personalentscheidungen einer Partei hat es so in unserem Land noch nicht gegeben.“ Wie es ausgeht, erfahren die Partei und der Rest der Welt am 26. Februar. Bis dahin gelte, so Hagedorn: „One Sozi, on vote“. Rund 20.000 sind es in Schleswig-Holstein, die mitstimmen dürfen. EST