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O schwarzlockichte Heidschnuckel!

■ Die ersten frischen Osterlämmer hupfen schon über die Lüneburger Heide

Schon sieht man die ersten schwarzlockigen Heidschnuckenlämmer durch die Lüneburger Heide hopsen. Mit der 330 Muttertiere zählenden Herde des Vereins Naturschutzpark (VNP) ziehen die Lämmer allerdings noch nicht. Der Nachwuchs bleibt, solange die Kälte anhält, im mit Stroh und Heu gefüllten Schafstall bei Wilsede und läßt sich von den Müttern umsorgen. Schäfer Jürgen Funck indes kommt in diesen Tagen kaum aus dem schafwollenen (!) Wams: „Die lammen die ganze Nacht, da krieg ich kein Auge zu.“

Gar manches Lamm wird auch unterwegs auf der einsamen Heide geboren. Bleibt es bei den täglichen Wanderungen bei nur einem Neuankömmling, steckt der Schäfer es unter seine Jacke. Bei mehreren On-the-road-Geburten überläßt er die Herde der Obhut seiner drei Hunde und holt das Auto zum Einsammeln der Lämmer: „Da bin ich ein ganz moderner Schäfer“, schmunzelt der 28jährige Hamburger.

Rein theoretisch, verrät er, können die Heidschnuckenfrauen das ganze Jahr über lammen. Aber die Böcke mit ihren mehrfach gedrehten Hornschnecken auf den schwarzen Köpfen werden nur im August in die Herde gelassen, so daß nach rund fünf Monaten schon die die sogenannten „Osterlämmer“ auftreten. Jürgen Funck, ein großgewachsener blonder Mann mit roten Wangen und blauen Augen, hat nicht nur von 1978 bis 1981 Schäfer gelernt, er hat auch praktischerweise eine regelrechte Geburtshelferausbildung. Einen Tierarzt braucht er daher nur bei Komplikationen.

Die treten auch nach der Geburt manchmal auf, wenn zum Beispiel eine Schnucke Zwillinge geworfen hat und eines ihrer Kinder wegkriecht, während sich die Mutter um das Geschwister kümmert. Dann nimmt der kleine Zwilling einen anderen Geruch an, so daß das Muttertier sich weigert, weiterhin mit ihm zu verkehren.

Der Schäfer ist dann als geduldiger Ziehvater mit der Milchflasche gefragt. Der vierjährige Hammel „Graukopf“ ist ein solches Ziehkind von Jürgen Funck, das ihm nicht von der Seite weicht und sich von der emsigen Hütearbeit und Bellerei der Hunde Anka, Rena und Kola nicht beeindrucken läßt.

Noch um die Jahrhundertwende wurden in Deutschland mehr als 500 000 Heidschnucken gezählt. Heute gibt es im Naturschutzgebiet Lüneburger Heide noch sieben Herden mit jeweils rund 350 Muttertieren und 400 Lämmern und zehn Böcken.

Die Herde scheint für den Verein wegen der niedrigen Wollpreise ein Zusatzgeschäft zu sein, aber nur auf den ersten Blick: preiswerter und naturschonender wäre eine Pflege der Heidelandschaft gar nicht möglich, versichert Jens Tönnießen. Karin Toben (dpa)

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