Nutzung von Wasserstoff in Deutschland: Der Champagner der Energiewende?

Der „Wasserstoffatlas“ soll die Nutzung des Energieträgers vorantreiben. Ein Vorteil: die Unabhängigkeit von Produzentenländern.

Ein Mann und eine Frau halten ein Plakat zum Wasserstoffatlas hoch

Bundespressekonferenz zur Vorstellung des Wasserstoffatlas Foto: imago

BERLIN taz | Wo in Deutschland gibt es bereits Anlagen zur Produktion von grünem Wasserstoff, wo sind weitere geplant und welches Potenzial haben sie für die Energieversorgung? Antworten auf diese Fragen soll der neue „Wasserstoffatlas“ geben, den Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) am Donnerstag in Berlin vorgestellt hat.

Die Bundesregierung wolle „Deutschland zur Wasserstoffrepublik machen“, erklärte Stark-Watzinger, und der Atlas sei ein Werkzeug auf dem Weg dorthin: Ent­schei­dungs­trä­ge­r:in­nen könnten darin nachschlagen, ob und wo Wasserstoffinfrastruktur auf- oder ausgebaut werden kann. Der Bund hat das Internetportal mit rund 700.000 Euro gefördert.

Grüner Wasserstoff – der mit erneuerbaren Energien erzeugt wird und deshalb keine Treibhausgasemissionen verursacht – könne zur Energieunabhängigkeit Deutschlands beitragen, was gerade vor dem Hintergrund der momentanen weltpolitischen Lage wichtig sei, sagte die Ministerin: „In einer Zeit, in der der Gasspeicherstand so etwas ist wie der neue Inzidenzwert, ist es wichtig, über unsere Energieversorgung zu reden. Die Abhängigkeit von russischem Gas ist ein historischer Fehler.“

Keine Abhängigkeit von wenigen Produzentenländern

Die FDP-Politikerin betonte allerdings auch, dass Deutschland seinen steigenden Bedarf an Wasserstoff nicht allein aus heimischer Produktion decken könne. Deshalb sei die Zusammenarbeit mit anderen Ländern innerhalb und außerhalb Europas in sogenannten Wasserstoff-Partnerschaften nötig. So wolle man zukünftig Wasserstoff aus Australien und aus Afrika importieren.

Michael Sterner, Professor für Energiespeicher und Energiesysteme, war an der Arbeit am Wasserstoffatlas beteiligt. Er stellte klar: „Technisch könnten wir uns mit Wasserstoff selbst versorgen“, fügte aber mit Blick auf Konflikte um Abstände von Windrädern zu Wohngebieten an: „Wir wissen, dass die gesellschaftliche Akzeptanz nicht da ist.“ Wasserstoff habe aber den Vorteil gegenüber Öl und Gas, dass man nicht von wenigen Produzentenländern abhängig sei. 60 bis 70 Staaten stiegen derzeit in die Wasserstoff-Produktion oder -Nutzung ein, sagte der Regensburger Wissenschaftler.

786 Terawattstunden pro Jahr für Wasserstoff

Sterner ist überzeugt von der zentralen Rolle, die Wasserstoff in der Energiewende einnehmen wird: „Wir sprechen hier mitnichten von dem Champagner der Energiewende“, erklärte er mit Blick auf Kosten und mögliche Produktionsmengen des Energieträgers. Deutschland hätte mit der voranschreitenden Energiewende das Potenzial, bis 2040 786 Terawattstunden an überschüssigem Ökostrom pro Jahr in Wasserstoff umzuwandeln.

Volker Quaschning, Professor für regenerative Energiesysteme an der HTW Berlin, sagte im Gespräch mit der taz: „Wir werden am grünen Wasserstoff nicht vorbeikommen.“ Er warnte aber davor, sich Illusionen zu machen: „Grüner Wasserstoff ist sehr aufwändig herzustellen und sehr teuer.“ Es gebe trotzdem Bereiche, in denen grüner Wasserstoff alternativlos sei: etwa in der Stahlherstellung, im Flug- und im Schiffsverkehr sowie bei der Energiespeicherung.

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