piwik no script img

■ Nur wenn wir mehr zahlen, lassen sich Tierseuchen verhindernSchuld sind die Verbraucher

Die Elektrozangen halten wieder einmal reiche Ernte in Deutschland Ställen – die Schweinepest ist ausgebrochen. Nach derzeitigem Stand müssen die Abdecker aber nur ein paar zehntausend Tiere zu Tierfutter verkochen. Das regt in Bonn und den verschiedenen Bundesländern keinen Landwirtschaftsminister mehr auf.

Nach all den Skandalen um BSE, Hormonfleisch oder verdurstende Kälbchen beim Tiertransport wird so eine Kleinkatastrophe routiniert gemeistert: entschlossen töten, auf neue Impfstoffe und Verordnungen hoffen und ansonsten bloß den Agrarbetrieb als solchen nicht in Frage stellen. Schließlich erwirtschaften Ernährungsindustrie und Agrarhandel aus der rationellen Produktion der großen Bauern die großen Gewinne. Und an der fein austarierten Subventionsverteilung will auch niemand rütteln, schon gar nicht im Wahljahr 1998.

Der Verbraucher kann scheinbar ruhig bleiben. Seine Gesundheit wäre selbst dann nicht betroffen, wenn das Fleisch erkrankter Tiere in deutsche Wursttheken gelandet sein sollte, weil die Schweinepest für Menschen ungefährlich ist.

Doch gerade die Kunden in den Supermärkten haben die Misere im Agrarbereich mit verursacht. Schließlich greifen sie wie eh und je nach den Schnäppchen. Und Schnäppchen sind für sie nicht etwa artgerecht aufgezogene Tiere aus der Region, sondern möglichst billige Angebote. Das zeigen Umfragen und die Umsätze bei den Fleischabteilungen der Supermärkte nach wie vor. Immer noch meinen beispielsweise 20 Prozent der Verbraucher, selbst für Bio-Produkte würden sie nicht einen Pfennig mehr bezahlen.

Wer den niedrigen Preis in der Kaufentscheidung ganz nach oben stellt, zwingt aber den Bauern zur billigsten Produktion. Jeder weiß das im Prinzip, doch nur wenige handeln danach. So spüren auch die Politiker kaum Druck, den Landwirten Vorschriften zu machen und eine eine schonendere Aufzucht der Tiere zu erzwingen. Und die Industrie liefert, was der Verbraucher wünscht.

Natürlich würden die Preise bei einer schonenderen Landwirtschaft steigen – angesichts der wirtschaftlichen Lage vieler in diesem Land nicht gerade eine populäre Ankündigung. Doch die Grundnahrungsmittel haben einen derart geringen Anteil an den durchschnittlichen Lebenshaltungskosten, daß ein paar Prozent Steigerung – und mehr machen selbst massiv höhere Preise für die Bauern letztendlich im Supermarkt nicht aus – für die meisten leicht zu verkraften wären. Reiner Metzger

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen