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Archiv-Artikel

Nur kurz in Freiheit

Fünf britische Guantánamo-Gefangene können heimkehren. Vier von ihnen werden erneut inhaftiert

DUBLIN taz ■ Die Zeit verging wie im Flug. Theoretisch waren die fünf Briten, die vorgestern nach zwei Jahren Internierung aus dem US-Gefangenenlager Guantánamo Bay entlassen wurden, auf dem Rückflug nach Großbritannien in Freiheit. Doch kaum war die Militärmaschine auf dem Luftwaffenstützpunkt Northolt bei London gelandet, wurden sie erneut verhaftet.

Einer, James Udeen, wurde am Abend freigelassen. Er beschuldigte die USA der Ungerechtigkeit und Großbritannien der Mittäterschaft. Die anderen vier verbrachten die Nacht in Paddington Green, dem sichersten Polizeirevier Londons. Mit einer Anklage in Großbritannien rechnet kein Rechtsexperte.

Britische und US-Truppen hatten Udeen vor rund zwei Jahren aus einem Gefängnis in Afghanistan direkt nach Guantánamo Bay geschafft. Der 37-Jährige aus Manchester war vermutlich als Tourist in Afghanistan unterwegs, als er von den Taliban eingesperrt wurde. „Er ist von den USA gemein, unmenschlich und erniedrigend behandelt worden“, sagte sein Anwalt. „Er betont, dass andere noch immer unter diesen Bedingungen gefangen gehalten werden.“

Freunde und Verwandte der anderen vier britischen Guantánamo-Häftlinge halten die erneute Festnahme in Großbritannien für unverständlich. „Sie sind zwei Jahre lang von den USA verhört worden“, sagte Rhuhel Ahmeds Vater. „Sie wären angeklagt worden, hätten sie sich etwas zuschulden kommen lassen.“ Die Männer können aufgrund britischer Antiterrorismusgesetze bis zu zwei Wochen ohne Anklage festgehalten werden.

Innenminister David Blunkett hatte am Montag auf dem Antiterrorgipfel in Washington versprochen, dass er sich für eine „faire Behandlung“ der restlichen vier britischen Gefangenen in Guantánamo Bay einsetzen werde. Was mit den britischen Gefangenen dort geschehe, sei falsch, findet Blunkett. Das hindert ihn freilich nicht daran, mit der US-Regierung Pläne für gemeinsame Antiterrorübungen zu schmieden. In einem Interview mit Sky News sagte Blunkett, er wünsche sich jedoch, dass die „die ausländischen Bürger, die der Beteiligung am internationalen Terrorismus verdächtig sind, in den USA genauso fair behandelt werden wie in Großbritannien“.

Sarah Green von amnesty international bemerkte dazu sarkastisch: „Aufgrund der überlegenen britischen Gesetzgebung ist es gestattet, 14 ausländische Bürger ohne Anklage oder Verurteilung auf unbestimmte Zeit in einem britischen Gefängnis zu inhaftieren. Sie können auf der Basis von geheimen Beweisen festgehalten werden, die weder sie noch ihre Anwälte kennen und die möglicherweise durch Folter in einem anderen Land erzwungen wurden.“

RALF SOTSCHECK