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Nur heiße Luft für mehr Sicherheit

Fünf Verkehrsminister beschlossen in Paris, was schon Gesetzeslage ist / SPD- und CDU-Abgeordnete wollen Exportverbot für Pestizide / Reederei haftet nicht, Ciba-Geigy will zahlen  ■ Von H.-J. Tenhagen

Berlin (taz) – Bundesverkehrminister Matthias Wissmann (CDU), seine niederländische Kollegin Hanja Maij-Weggen und die entsprechenden Minister Belgiens, Frankreichs und Großbritanniens haben sich bei einem Abendessen in Paris für mehr Schiffssicherheit ausgesprochen. Gleichzeitig verkündeten sie nach dem Treffen eine Maßnahmenliste, die nach Ansicht von Experten im wesentlichen geltendes Recht wiederholt.

Der französische Verkehrsminister Bernard Bosson sagte Mittwoch nacht, die Kontrollen in den Häfen sollten verschärft werden und Schiffe, die nicht den Sicherheitsvorschriften der Internationalen Schiffahrts-Organisation (IMO) entsprechen, „systematisch festgesetzt“ werden. Außerdem solle eine „schwarze Liste“ von Schiffen veröffentlicht werden, die nicht den Sicherheitsstandards entsprechen. Kapitäne müßten sich künftig bei der Einfahrt in „gefährliche“ Zonen wie dem Ärmelkanal bei Leitstellen melden. Zu guter Letzt beschlossen die kauenden Minister, Normen für das Verstauen der Ladung vorzuschreiben, die derzeit lediglich von der IMO angeraten werden.

Beim Verband Deutscher Reeder lösten die Pariser Beschlüsse gestern Erstaunen aus. „Die Verschärfung der Kontrollen haben die Minister schon im vergangenen Jahr beschlossen, und gefährliche Schiffe festsetzen müßten sie sowieso“, sagte Verbandssprecher Ralf Schneider. Auch Listen mit den schwarzen Schafen sowie Vorschriften, was wie unter Deck oder über Deck zu verstauen sei, gebe es schon. Die seien seit 1992 von der IMO vorgeschrieben und in fast allen Industriestaaten umgesetzt.

Im Falle der verlorengegangenen Pestizidfracht des Frachters „Sherbro“ nützen die geltenden Richtlinien aber wenig. Das Gift „Apron Plus“ gehört zwar nach der Internationalen Gefahrgutverordnung zur See (IMDGC) in die Stoffklasse 6.1 für Gifte. Dort aber ist es in die Gruppe 3 „Stoffe und Zusammensetzungen mit einer relativ geringen Vergiftungsgefahr“ einsortiert. Folge: Die Container brauchten nicht als „Marine Pollutant“ gekennzeichnet zu werden und dürfen auch über Deck gestapelt werden.

Für etwaige Schäden durch die Zigtausende Giftbeutel kommt nach Schneiders Angaben eigentlich der Versicherungsverein „Protection and Indemnity“-Club der französischen Reederei auf. Dazu müsse ihr aber erst einmal das Verschulden nachgewiesen werden. Ein schwieriges Unterfangen, hatten die niederländischen Behörden der Reederei schon attestiert, sie habe ordentlich verstaut. Niedersachsens Umweltministerin Monika Griefahn hat inzwischen eine Lösung für das Haftungsproblem gefunden. Ciba-Geigy habe zugesagt, für Vorsorge und Aufräumen aufzukommen, wenn die Reederei nicht zahle. An den Stränden Schleswig-Holsteins und Niedersachsens trieben derweil auch gestern Giftbeutel an. Außerdem hat die Sherbro ein Faß mit hochgiftigem Phenolhydrat verloren. Während Minister Wissmann in Paris heiße Luft ließ, sprachen sich Bonner Politiker für drastische Schritte gegen die Chemieindustrie aus. Der umweltpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Michael Müller, und der Vorsitzende des Umweltausschusses, Wolfgang von Gelder (CDU), forderten unisono, den Export von Pestiziden, die in der EU nicht erlaubt sind, zu verbieten. Müller will zusätzlich deren Produktion untersagen. Zum Treiben seines Parteifreundes Wissmann in Paris fand van Gelder passende Worte: Das Treffen sei „wahrscheinlich nicht mehr als ein Versuch, die empörte Öffentlichkeit zu beruhigen“.

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