: „Nur ein neuer Bluff“
■ Sabri Kicmari, diplomatischer Vertreter der UCK-Exilregierung in Österreich, glaubt mitnichten an Präsident Milosevic' Einlenken
taz: Kommt es jetzt, nachdem das serbische Parlament gestern der Stationierung einer internationalen Friedenstruppe zugestimmt hat, zum großen Frieden auf dem Balkan?
Sabri Kicmari: Nein, die sogenannte Zustimmung ist nur ein neuer Bluff, allerdings ein kluger Schachzug des Kriegsherrn Slobodan Miloevic. Ich hoffe nur, der Westen geht auf dieses Spiel nicht ein, aber ich befürchte, einige Mitgliedsstaaten der Nato könnten sich hier zu einem faulen Kompromiß überreden lassen.
Was konkret haben Sie als Repräsentant der Kosovo-Befreiungsarmee UÇK gegen die Stationierung der in dem neuesten Plan skizzierten internationalen Friedenstruppe?
Wir kennen den Grund für Miloevic' sogenanntes Einlenken. Nach dem derzeitigen Plan, den der russische Unterhändler Wiktor Tschernomyrdin übrigens in Einklang mit Belgrad angefertigt hat, wird das Kosovo zweigeteilt werden.
Der nördliche Teil soll unter russische Hoheit fallen, der südliche unter den der Vereinigten Staaten. Nördlich eines Dreiecks mit Prizren und Djakovica wird der russische Kosovo-Sektor sein, voll unter russischem Kommando, der südliche Teil unter Nato-Führung.
Das bedeutet in der Realität, daß kein albanischer Flüchtling in die „serbisch-russische Besatzungszone“ – wenn ich es einmal so nennen darf – zurückkehren wird. Die albanischen Flüchtlinge werden nur in jenen Teil zurückkehren können, den die Amerikaner zusammen mit den Briten, Franzosen und Deutschen verwalten werden.
Aber das ist nur theoretisch. Praktisch klappt das ganze Szenario natürlich nicht, weil eine Million Vertriebener und Deportierter nicht auf einem so kleinen Flecken ein neues Leben beginnen können.
Konkret heißt das, daß Planspiele wie die derzeitigen in ihrer jetztigen Form für die albanische Seite nicht akzeptabel sind.
Wie wird sich die Kosovo-Befreiungsarmee UÇK verhalten?
Unsere Truppen werden weiter gegen die serbischen Aggressoren militärische Aktionen unternehmen, wir sehen in ihnen eine Besatzungsmacht, und nur bei einem gerechten Frieden legen wir unsere Waffen nieder.
Ihre Organisation, die UÇK, ist auf die russische Diplomatie nicht gut zu sprechen ...
Überhaupt nicht. Es waren die Russen, die den Serben bei den Friedensgesprächen im März im französchen Rambouillet nahelegten, das Vertragswerk nicht zu unterschreiben. Moskau war eindeutig parteiisch auf der Seite Belgrads und will die albanische Frage nicht gerecht lösen.
Es gibt auch russische Offiziere, die auf der Seite des serbischen Aggressors kämpfen, einen von ihnen haben unsere Einheiten schon getötet.
Wie soll denn Ihrer Meinung nach die albanische Frage gelöst werden?
Wir sagen, erstmals durch eine Art Protektorat für unsere Heimat, für Kosovo, das durch Nato-Truppen abgesichert wird. Nach einigen Jahren spätestens muß dann die internationale Gemeinschaft Bedingungen schaffen, durch eine Volksabstimmung den Status von Kosovo selbst zu entscheiden.
Das Ziel der UÇK ist und bleibt die Unabhängigkeit von Kosovo, eine Republik Kosova.
Interview: Karl Gersuny
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen