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Nur ein kleiner Fall

■ Wie einem Richter ein Arbeitstag schwer wurde: Von Pferden, Doping und Verteidigern Von Sannah Koch

Versteinert ragt das Gesicht aus dem Kragen der schwarzen Robe; die Augen hinter der Hornbrille sind blicklos auf einen unbestimmbaren Punkt fixiert. Auf der höchstrichterlichen Stirn zwei strenge Falten – was mag dahinter vorgehen? Derselbe Kampf mit dem inneren Lachkrampf, der die Zuschauer zu schütteln droht? Oder schlägt er gleich mit der Faust auf den Tisch?

Amtsrichter Siegried Scholz-Jordan hatte gestern keinen leichten Tag – obwohl zunächst alles recht übersichtlich schien. Ein kleiner Betrugsfall: Dem Angeklagten Carl T. wird vorgeworfen, sein Trabrennpferd mit Coffein gedopt ins Rennen geschickt zu haben. Presseleute sind anwesend, der Angeklagte wird nach dem zweiten Aufruf auf dem Flur aufgespürt. Aber dann: Auftritt des heimlichen Hauptdarstellers, des Verteidigers B.

Erste Irritationen treten auf: Sich hinsetzen, in die Aktentasche greifen, eine Flasche Wasser herausholen sind eins, sie dann – zisch – öffnen, einschütten, austrinken. Mit halber Drehung blickt der Richter ungläubig zum Verteidigertisch: „Fangen Sie hier jetzt etwa an zu frühstücken?“ Dann nehmen die Dinge ihren Lauf: Nach der Verlesung der Klageschrift schlägt die Stunde der Verteidigung. Ein triumphales Leuchten im Gesicht von B., effektvoll zur Pressebank gesprochen: „Ich beantrage die Einstellung des Verfahrens wegen Formfehlern!“

Die Klageschrift sei nicht in deutscher Gerichtssprache verfaßt, illegal! Doping!! Dopingliste!!!, völlig unverständlich, ein Straftatbestand bestehe eh nicht, weil „weltweit niemand weiß, was Doping ist“ und dann gibt es da noch das Tierschutzgesetz und die Verordnung der Trabrennbahnen und, und... Versteinert ragt ein Gesicht aus dem Kragen der schwarzen Robe.

Sind es zehn Minuten, sind es zwanzig, bis Sigfried Scholz-Jordan eingreift? Der Klagevertreter scheint sein Kopfschütteln nur mühsam unter Kontrolle zu bringen; über dem Angeklagten scheint eine Gedankenblase zu wachsen: „Ohgottohgott“. Es kommt, wie es kommen muß: erster Antrag der Verteidigung – abgelehnt. Nun schlägt B. erst richtig hart zu: Befangenheitsantrag! Der Anklagevertreter ähnelt immer mehr einem der Nick-Hunde, die auf Auto-Hutablagen placiert sind. Aber auch so kommt B. nicht zum Ziel.

Der Richter versucht eine Zeugenvernehmung. „Wie könnte das Coffein verabreicht worden sein?“, will er vom Trainer des Trabers wissen. „Sie müssen ihn fragen, ob er gesehen hat, wer gefüttert hat“, schlägt unterdessen die Verteidigung dem Gericht vor. Da ringt man um Fassung und passende Zurechtweisungen, auf die B. jedoch bockig reagiert: „Die Beweiserhebung ist doch eh unzulässig“ – dann spiel ich eben nicht mehr mit.

Und dann ein Lichtblick: Zeuge zwei ist nicht erschienen, Sitzung vertagt auf nächste Woche. Richters Chance, mit einer Doppeldosis Tai Ginseng gedopt ins nächste Rennen zu gehen.

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