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Nur das Patriarchat hat Eva kleingemacht

■ Die Hamburger Frauen-Pastorin Irmgard Nauck will den Feminismus in der Kirche durchsetzen Von Annette Bolz

„Frau Pastörken, Sie sind ja noch so jung. Können Sie dat denn überhaupt mit die Beerdigung?“ soll in Essen eine Witwe zu ihr gesagt haben. Sie habe dann geantwortet, mit Gottes Hilfe werde es schon gehen. Pastorin Nauck sitzt auf dem Korbsessel in ihrem hellen Hamburger Büro und lacht über die Situation. Seit September ist sie – zusammen mit einer Kollegin – Leiterin der „ökumenischen Dekade der Solidarität der Kirchen mit den Frauen“ in Hamburg, morgen wird sie in der Christuskirche Wandsbek-Markt offiziell von Pröpstin Uta Grohs in ihr Amt eingeführt und gesegnet.

Ihre Aufgabe sieht Irmgard Nauck darin, den Feminismus in der Kirche durchzusetzen. Denn noch immer gelte der Grundsatz: „Männer leiten die Kirche, Frauen füllen die Kirche.“ Sie will in den kirchlichen „Leitungsebenen“ die „Initialzündung“ für eine Veränderung geben. In ihrem violetten Wollpullover und der engen Blue-Jeans wirkt die Pastorin selbstbewußt, zäh und zielstrebig. Doch als Feministin sieht sie sich selbst nicht: Diesen „Stempelbegriff“ lehnt die 36jährige ab. Ruhig erklärt sie das „Hauptleiden“ der Frauen in der Kirche: „Sie arbeiten ehrenamtlich, kriegen aber noch nicht einmal die Schlüssel für die Räume.“ Sie will, daß „Männer und Frauen ins Gespräch kommen“.

Damals, in Essen-Kray, einem Arbeiterviertel, hätten ihr oft die richtigen Worte gefehlt, erzählt die Pastorin. Sie besaß nur ein Theologie-Studium, ihre „hochgestelzte Sprache“ und ihre „Frömmigkeit“. Aber sie besaß ebenfalls die Fähigkeit zu erkennen. Sie sah nicht nur, daß mitten in der Arbeitslosigkeit und der Armut die Frauen am meisten litten. Sie durchschaute auch, daß diese „patriarchalen Strukturen“ in der Kirche selbst zu finden sind. Deshalb kündigte sie.

Bevor sie wieder für die Kirche arbeitete, folgten vier Jahre der Auseinandersetzung, in denen die Theologin Nauck zwischen ihrer christlichen Erziehung und Ausbildung einerseits und ihrem Widerwillen gegenüber dem Patriarchat andererseits schwankte. „Ich wollte die giftigen Wurzeln abschneiden“, sagt sie heftig, „und ich war unglücklich, weil es doch mein Halt war“. Als sie 15 Jahre alt war, starb ihr Vater, ebenfalls Pastor. Um diesen Verlust aufzufangen, so vermutet sie heute, habe sie sich für denselben Beruf entschieden.

Doch sie will die Bibel anders lesen als ihre Eltern. Eva sei für sie nicht das Bild für Sexualität und Sünde, sondern „die Mutter des Lebendigen“. Mit kräftiger Stimme und keineswegs betulich erzählt Irmgard Nauck vom damaligen Matriarchat in Kanaan und der Göttin, die „Mutter des Lebens“ genannt wurde, derjenigen Göttin, deren Überreste sich in Eva widerfinden. Jetzt ist sie beim Thema: „Die Schlange ist das Symbol für die ewige Wiederkehr des Lebens, der Apfel das Symbol der Fruchtbarkeit. Nur die patriarchale Kultur hat Eva kleingemacht und dem Mann unterworfen“.

Paulus, den Apostel, mag sie nicht. Wenn es auf dem Plan stünde, etwas aus seinen Schriften zu predigen, nehme sie einfach was anderes, gesteht sie. Paulus sei ein typischer „double-bind-Mann“, einer, der die Wichtigkeit der Frauen betone und trotzdem deren Rechte beschränke oder ignoriere. Auch in der Kirche gebe es davon viele, seufzt Frau Nauck, die sich mit ihrem Ehemann Haushalt und „die Kinder teilt“. Es seien die „Männer, die ihren Arsch nicht hochkriegen.“ Genau die will sie verändern.

Doch sie weiß, daß ihre Projektstelle nur der „einer kleinen Beamtin im Ministerium Ökumene“ entspricht. Und obwohl sie manchmal das Gefühl beschleicht, sie arbeite gegen eine Wand, bleibt ihr „die tiefe Hoffnung auf Veränderung“ und die „Vision einer herrschaftsfreien Kirche“. Manchmal gehe ihr zwar die „Kraft flöten“, wenn sie einsam im Büro sitze, aber sie versichert: „Der Heilige Geist wirkt weiter über meine Kraft hinaus“.

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