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■ Jagen Ökosteuern deutsche Unternehmen in die Flucht? Muß nicht sein, meinen die Bündnisgrünen. Gestern stellte die Ökopartei ihr Konzept über "Anpassungshilfen für energieintensive Branchen" vor.Nur Verschwender sollen büßen

Jagen Ökosteuern deutsche Unternehmen in die Flucht? Muß nicht sein, meinen die Bündnisgrünen. Gestern stellte die Ökopartei ihr Konzept über „Anpassungshilfen für energieintensive Branchen“ vor.

Nur Verschwender sollen büßen

Die Bündnisgrünen rauben den Gegnern von Ökosteuern die Argumente. Gestern stellten mehrere Bundestagsabgeordnete ihren Vorschlag zur „Ausgestaltung der Anpassungshilfen für energieintensive Branchen“ zur Diskussion. Das Konzept könnte selbst den größten Hardlinern im Kampf gegen die Ökosteuer die Zähne ziehen: den besonders energieintensiven Branchen. Denn der Vorschlag zielt darauf ab, die in ihren Bereichen jeweils energiesparensten Betriebe zu entlasten und dafür bei den Verschwendern mehr als bisher abzukassieren.

Die Leitidee ist, die Energiesteuer sowohl für den Staat als auch für die Unternehmen insgesamt einkommensneutral zu gestalten, so die umweltpolitische Sprecherin Michaele Hustedt. Alle Einnahmen aus der Energiesteuer sollen in Form von Steuerermäßigungen und Senkung der Lohnnebenkosten an die Wirtschaft zurückgegeben werden. Wenig energiefressende Branchen wie Dienstleistungsgewerbe, Bauindustrie und Maschinenbau würden insgesamt zu den Gewinnern der ökologischen Steuerreform gehören.

Aber auch energieintensive Betriebe brauchen nichts zu fürchten, wenn sie im Vergleich zu anderen Unternehmen mit einer ähnlichen Produktpalette sparsam mit Strom und Öl umgehen. In dem Konzept sind nämlich Anpassungshilfen für besonders energieintensive Wirtschaftszweige vorgesehen. Gerade die Branchen, die sehr viel Strom, Gas und Öl benötigen, sollen auch überproportional entlastet werden. Wer hier sparsam mit Energie umgeht, zahlt unter Umständen weniger Ökosteuern, als er durch die Kompensation zurückerhält. Dann erweist sich die Ökosteuer selbst für einen Betrieb mit hohem Energiebedarf als Geschäft. Damit könnte ein Keil ins Lager der Chemie- und Stahlindustrie getrieben werden, bei denen der Energieverbrauch zum Teil mehr als 50 Prozent der Kosten ausmachen. Besonders für diese Branchen waren Ökosteuern bisher ein rotes Tuch. Die deutsche Industrie müsse eh schon am meisten Steuern und Abgaben im internationalen Vergleich zahlen, eine zusätzliche Energiesteuer mache den Standort Deutschland „endgültig“ kaputt, hieß es. Die Unternehmen würden zur Verlagerung von Produktionsstätten ins Ausland gezwungen, drohten die Manager. Etwa 400.000 Arbeitsplätze würden verlorengehen, sekundierte das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI). Sowohl für die Wirtschaft als auch für die Gewerkschaften wurden die Bündnisgrünen mit ihren Ökosteuervorstellungen zum Feindbild Nummer eins.

Die Befürworter einer Energiesteuer halten dagegen: Umverteilung statt mehr Steuern, lautet das Motto. Die Lohnnebenkosten sollen in dem Maße gesenkt werden, in dem Energiesteuern in die Kasse kommen. Bislang belastet das Steuersystem den Faktor Arbeit zu mehr als 60 Prozent und den Faktor Umwelt- und Ressourcenverbrauch zu 10 Prozent. Durch eine Umverteilung werden mehrere Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Der Anreiz, Arbeitskräfte einzustellen, wächst. Gleichzeitig steigt der Ansporn, umweltschonender zu produzieren und Energie zu sparen. Der dadurch in die Wege geleitete Innovationsschub auf dem Umweltsektor führt zudem zu einer Ankurbelung der Wirtschaft. Insgesamt können dadurch 330.000 bis 800.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, glaubt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW).

Also alles paletti? Gibt es tatsächlich eine Ökosteuer ohne Reue? Einen Haken gibt es doch. Zwar langsam und schrittweise, aber dennoch unaufhaltsam soll nach den Vorstellungen der Bündnisgrünen die Steuerschraube angezogen werden. Doch Michaele Hustedt hält Befürchtungen dennoch für falsch, eine Ökosteuer mache den energieintensiven Betrieben, wenn nicht am Anfang, so doch auf Dauer den Garaus. Die Einsparpotentiale im Energie- und Emissionsbereich seien immens. Die Anpassungshilfen würden so gestaltet, daß die Firmen sich auf die veränderten Bedingungen einstellen könnten. Wer dies nicht schaffe, müsse eben vom Markt verschwinden. Schließlich solle die Ökosteuer ja eine umweltpolitische Lenkungsfunktion erfüllen.

Die Position der Bündnisgrünen unterscheidet sich von allen anderen Parteien darin, daß sie die Industrie nicht von Ökosteuern freistellen will. Erst Anfang Juni hatten der SPD-Chef Lafontaine und der IG-Chemie-Vorsitzende Schmoldt gemeinsam erklärt, sie seien für eine Energiesteuer, die die Wirtschaft ausnimmt und nur die Haushalte belastet.

Aber auch bei dem Vorschlag der Bündnisgrünen bleiben noch viele Fragen offen, die die Autoren des Eckpunktepapiers zum Teil auch selbst benennen. Inwieweit könnte der Vorschlag mit EU- Recht kollidieren? Und wie stark sollen die Anpassungshilfen regional differenziert werden? Auf jeden Fall will die Ökopartei die Betriebe in den neuen Bundesländern zunächst noch stärker entlasten als die Westfirmen, weil sie durchschnittlich noch mehr Energie brauchen. Offen ist auch noch, wie schnell die Anpassungshilfen reduziert werden sollen und können. Es geht um einen Strukturwandel, der ökologische Vorteile ohne arbeitsmarktpolitische Nachteile bringt. Markus Franz, Bonn

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