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Notstand beim Nachwuchs

■ Erzieherinnen krank, Kinder müssen zuhause bleiben / Ein strukturelles Problem

Ist das noch ein Kindergarten? Die Harburgerin Birgit Hable ist entnervt. Zum dritten Mal in diesem Jahr gab es im Kindertagesheim (KTH) ihres Sohnes „Notmaßnahmen“, weil zu viele ErzieherInnen krank waren. Schon am 20. Oktober hatte die Heimleitung des KTHs Eddelbüttlerstraße alle Nichtberufstätigen aufgefordert, ihren Nachwuchs zuhause zu lassen. Der „Notstand“ dauerte anderthalb Wochen. Vorgestern war es wieder soweit: Sieben ErzieherInnen krank, zwei im Urlaub, da sollten die Eltern die Kinder doch bitte früher abholen.

„Ich muß mich auf den Kindergarten verlassen können“, sagt Birgit Hable. Sonst könne sie die Suche nach einer Stelle ganz vergessen. Aber eine Besserung ist nicht in Sicht. Am heutigen Freitag geht die Erzieherin der Frühschicht in Pension. Wegen der im Haushalt 1995 beschlossenen Sparmaßnahmen ist unklar ob eine Nachfolgerin eingestellt werden kann.

Aber nicht nur in der Eddelbüttlerstraße – wo derzeit 17,5 Stellen für die Betreuung von 167 Kindern existieren – ist die Personaldecke zu dünn. Birgit Hable hat sich bei den anderen Harburger KTH's erkundigt; drei von sieben Einrichtungen sind in der gleichen Lage. Wenn die einzige „Feuerwehr“-Kraft für diesen Bezirk nicht krank ist, wird sie einer anderen Einrichtung zugeteilt, die noch schlechter dran ist.

„Es ist generell das Problem, daß wir im November Grippephasen haben“, sagt die Sprecherin der Vereinigung städtischer Kindertagesheime, Katrin Meyer. Das ändert jedoch nichts an dem Problem, daß der Vertretungspool zu klein ist. Einem durchschnittlichen Ausfall von 20 Prozent steht nur eine Reserve von 2,5 Prozent gegenüber, weiß auch der Harburger Heimleiter Alfons Bertel zu berichten: „Da beißt sich die Katze in den Schwanz“. Wenn die Kollegin wieder gesund ist, wird die, die vorher für zwei gearbeitet hat, krank. Hinzu kommt, daß es für „Langzeitkranke“ erst nach sechs Monaten Ersatz gibt.

„Wir beantragen seit Jahren bei den Pflegesatzverhandlungen einen größeren Vertretungspool“, sagt Katrin Meyer. Die jüngste Pflegesatzverhandlung, das ist bekannt, brachte eine Kürzung des Etats um 9,3 Millionen Mark.

Kaija Kutter

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