Ein Liebeslied: „Nothing compares 2 U“ (1990)
Der Schmerz ist nicht mehr ganz frisch: Fünfzehn Tage und sieben Stunden schon blutet das verwundete Herz. So heißt es in der ersten Zeile von Sinéad O’Connors größtem Hit. Darin beklagt eine Frau den Verlust ihres Liebhabers. Ihre Trauer ist so tief, so untröstlich wie am ersten Tag – und sie scheint niemals enden zu wollen.
Dieses grausame Gefühl kleidet die irische Sängerin in einen klagenden Gesang, nur begleitet von Streichern, einem Schlagzeug und einem dezenten Chor. Dieses sparsame Arrangement funktioniert perfekt, denn nichts lenkt von der Stimme der Sängerin ab, die die HörerInnen sofort in den Bann zieht. In der ersten Strophe klingt sie niedergeschlagen, fast weinerlich. Sie erzählt, dass sie nun machen kann, was sie will. Zum Beispiel in einem fancy restaurant essen. Was mit dem Verflossenen anscheinend nicht möglich war. Aber nichts macht mehr Spaß – das kennt jeder Mensch, der schon einmal von Liebeskummer geschüttelt wurde.
Genauso schlimm sind gut gemeinte Sprüche wie: „Wird schon wieder“ oder „Auch andere Mütter haben schöne Söhne /Töchter.“ Hier ist es der Doktor, der empfiehlt: Girl U better have fun, no matter what you do. An dieser Stelle wird O’Connor heftiger, stößt die Worte geradezu verächtlich hervor. Aber es ist nur ein kurzes Aufbäumen, das schon in der resignierten Zeile but he’s a fool wieder versandet.
Denn Liebeskranke sind gefangen in einem Gefühlslaufrad. Sie lassen sich kaum ablenken von ihrem Schmerz und kreisen gedanklich um die verlorene Liebe, die unersetzliche: Nothing compares 2 U – wie es im Refrain heißt. Hoch und gedehnt vorgetragen, scheint diese Erkenntnis unumkehrbar und schicksalhaft zu sein.
Im Video kullerte der damals ultrakurzhaarigen O’Connor sogar eine wohldosierte Träne aus dem Auge. Das war zwar ein bisschen übertrieben, aber das von Prince geschriebene Lied wurde gerade wegen seiner schlichten und allgemein verständlichen Signale zu einem Erfolg. Da macht es auch nichts, dass die letzte Strophe textlich etwas abwegig geriet: All the flowers that U planted mama / In the back yard / All died when U went away. Wieso jetzt Mama? Und was für Blumen? Vielleicht ein Hinweis auf mütterlichen Trost und die blaue Blume der Romantik? Wahrscheinlicher: Es klingt einfach nur gut.
Nadine Lange
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