piwik no script img

■ Der Rücktritt von NRW-Justizminister Rauball kam nicht unerwartetNotbremsung per Rechtsformalie

Manchmal kann die Bürokratie mit ihren Spielregeln auch ein Segen sein. Das mag sich seit gestern Wolfgang Clement denken, der ansonsten gern gegen die Formalia von Verwaltung und Rechtsstaat wettert und auch schon mal lax mit ihnen umgeht. Im Falle seines Justizministers Reinhard Rauball aber nutzte der von Skandalen derzeit nur so geschüttelte NRW- Landeschef ausgerechnet eine Rechtsformalie des Oberlandesgerichts Hamm, um die längst fällige Entlassung seines Ministerfreundes zu inszenieren.

Nach Clements noch ungeklärten Verstrickungen in den Subventionsbetrug um die Oberhausener Filmfirma HDO war Rauball – als zweiter großer Fleck auf der Weste – für den Landesfürsten nicht mehr tragbar. Zu sehr hatte sich der Verdacht erhärtet, daß der erst vor einer Woche vereidigte Justizminister einst als Direktor von Eurogas Aktionäre um ihr Geld geprellt hatte. Von dubiosen Börsengeschäften aber sprachen wohlweislich weder Rauball noch Clement bei der offiziellen Rücktrittserklärung, auch wenn die wohl der eigentliche Grund der Entlassung sind.

Nein, der Minister und sein Präsident sprachen von einem vergleichsweise harmlosen Vergehen des Dortmunder Staranwalts: Rauball habe vergessen, sein Aufsichtsratsmandat bei Eurogas anzumelden, was – im Falle des Falles – zu einem Disziplinarverfahren führen könne. Die Erleichterung über diesen heißersehnten Anlaß, sich mit halb gewahrtem Gesicht aus dem Skandalsumpf ziehen zu können, war den beiden ehemaligen Jura-Kommilitonen anzumerken. Das zeigt allein die rasante Geschwindigkeit, mit der sich Rauballs Rücktritt vollzog.

Der frischgekürte Justizminister, der in der letzten Woche die gegen ihn erhobenen Vorwürfe noch standhaft als „abenteuerlich“ zurückgewiesen hatte, bat am Dienstag nachmittag, also gleich nach dem Bescheid aus Hamm, bei Studienfreund Clement um seine Entlassung. Und damit es nicht allzu viele peinliche Fragen nach den eigentlichen Gründen geben würde, informierten die beiden Kumpane die Presse erst gestern morgen um Viertel nach neun davon, daß sie sich bereits um zehn der Öffentlichkeit stellen. Da um zehn die meisten Journalisten im Stau standen, wurde denn auch nicht viel gefragt. Clement bedauerte Rauballs Rücktritt, und nach einer Viertelstunde war der Spuk vorbei. Ob solche Kniffe dem angeschlagenen SPD-Fürsten vom Rhein allerdings dazu dienlich sein können, sein arg ramponiertes Image bis zur Wahl im nächsten Jahr wiederaufzupolieren, bleibt mehr als fraglich. Gisa Funck

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen