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Archiv-Artikel

TANIA MARTINI LEUCHTEN DER MENSCHHEIT Notbremse Revolution

Wenn zwei sich nicht kloppen, das ist Drama“, schreibt Kathrin Röggla und weiß, das Drama definiert sich eigentlich gegenteilig. Dadurch, dass zwei sich kloppen. Trotzdem hat sie Recht. Wie sie überhaupt in ihrer kleinen assoziationsreichen Schrift „Gespensterarbeit, Krisenmanagement und Weltmarktfiktion“ (Picus Verlag, 2009) in Vielem Recht hat. Sie befragt das gegenwärtige Krisenspektakel auf seine Genre-Tauglichkeit hin: Katastrophen- oder Gespensterfilm, Fernsehkrimi oder Shakespeare-Remake, in welcher Dramaturgie kann das Spektakel am besten erzählt werden? Welches Genre ranziehen, um die Machtverhältnisse zu repräsentieren? Sind die überhaupt repräsentierbar? Jedenfalls haben wir es gegenwärtig mehr mit Selbstmord denn mit Mord zu tun. Das spielt auch eine Rolle.

Ich fragte mich: Drama und Katastrophe – sind die noch unterscheidbar? Röggla zufolge besteht unser Krisen-Drama in der Naturalisierung von Verantwortung: Wenn niemand verantwortlich ist, gibt es keinen Grund, jemanden zu schlagen. Das ist richtig, andererseits wirft dies das Problem von Struktur und Handlung auf: Entscheidungen beruhen nicht gänzlich auf dem freien Willen. Und die Katastrophe? Walter Benjamin zufolge besteht die Katastrophe gerade darin, dass alles, das Alltägliche, so weitergeht wie bisher. Freilich, er verfasste dies unter dem Eindruck des faschistischen Massenmordes. Dennoch: Der wirkliche Ausnahmezustand wäre ihm zufolge die Revolution als Griff des Menschengeschlechts nach der Notbremse. Revolution statt Katastrophe. Aber wer wagt es noch, von Revolution zu sprechen?

■ Die Autorin ist taz-Kulturredakteurin Foto: privat