Nordseefisch und Erderwärmung: Klimawandel lässt Scholle schrumpfen
Warmes Wasser kann weniger Sauerstoff aufnehmen, deshalb brauchen Fische mehr Energie zum Wachsen. Die Folgen für Nordseelebewesen sind erheblich.
BERLIN taz | Ihre Bestände leiden schon unter Überfischung und massiver Wasserverschmutzung. Jetzt kommt der Klimawandel dazu: Um bis zu 29 Prozent soll die Körpergröße der Nordseefische in den vergangenen 40 Jahren wegen steigender Temperaturen geschrumpft sein. Das ist das Fazit eine Studie der schottischen University of Aberdeen.
Die in der Fachzeitschrift Global Change Biology Journal publizierte Untersuchung liefert nach Angaben der Forscher erstmals empirische Beweise für den Zusammenhang zwischen Schrumpfen der Fische und Erderwärmung. „Der Effekt der Erderwärmung auf die Fische ist viel extremer als angenommen“, resümiert Studienleiter Alan Baudron. Betroffen seien 80 Prozent der untersuchten Fische, darunter der beliebte Hering, die Scholle, die Seezunge und der existenzbedrohte Schellfisch.
Das wärmere Klima sei als Hauptgrund für das Schrumpfen der Tiere identifiziert worden, weil es der „einzig synchrone Faktor war, denen alle betroffenen Spezies ausgesetzt waren“, sagt Baudron. Andere Einflüsse kommen für ihn nicht infrage, da sich die Fressgewohnheiten und Lebensräume aller Arten komplett unterschieden.
Der Grund, warum die Fische schrumpfen: Je wärmer das Wasser, desto weniger Gas kann es aufnehmen. Der lebenswichtige Sauerstoff wird also unter Wasser immer knapper. Deshalb werde „mehr Energie gebraucht, um Sauerstoff aufzunehmen“, erläutert Meeresbiologe Rainer Froese vom Forschungsinstitut Geomar in Kiel. „Also bleibt weniger Energie zum Wachsen übrig.“
Da Fische schwankende Temperaturen nicht gut vertragen können, „reagieren viele Arten auf Temperaturanstieg mit Abwanderung in kältere Regionen“. Das Gleichgewicht zwischen den Arten werde so erheblich gestört: In kalten Regionen konkurrierten immer mehr Fische, während sie aus wärmeren Gebieten verschwinden. Baudron vermutet zudem, die Verkleinerung führe zu einer geringeren Fortpflanzungsfähigkeit.
Für die Fischereibranche ist das problematisch: In den vergangenen 50 Jahren sind die Erträge laut der Studie um etwa ein Viertel gesunken. Meeresexpertin Iris Menn von Greenpeace warnt: „Fisch ist für rund eine Milliarde Menschen die einzige Proteinquelle.“ Da sich die Auswirkungen des Klimawandels zur massiven Überfischung addieren, sind Meeresbewohner stärker gefährdet denn je. Die Quotensenkung im Rahmen der EU-Fischereireform ab 2015 könne nur bedingt helfen, denn den Beständen werde zu wenig Zeit gegeben, sich zu erholen, warnt Menn.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Kommen jetzt die stahlharten Zeiten?
Iran als Bedrohung Israels
„Iran könnte ein Arsenal an Atomwaffen bauen“
Verfassungsrechtler für AfD-Verbot
„Den Staat vor Unterminierung schützen“