: Nordkoreaner flohen aus Camps in Chabarowsk
■ Pjöngjangs Ex-Umerziehungslager in Sibirien
Seoul/Berlin (dpa/taz) – Unter den Touristen, die am Sonntag mit einer russischen Chartermaschine aus dem sibirischen Chabarowsk in Seoul landeten, befanden sich auch zwei Nordkoreaner: geflohen aus einem sibirischen Holzfällerlager. Nach Angaben des südkoreanischen Geheimdienstes war bereits Anfang des Monats einem anderen Nordkoreaner aus Chabarowsk die Flucht an Bord eines russischen Frachters geglückt.
Noch immer arbeiten Tausende aus dem Reiche Kim Il Sungs in einem Dutzend Holzfällerlager in der Provinz von Chabarowsk und der benachbarten Amur- Region. Die Hongkonger Far Eastern Economic Review schätzt ihre Zahl auf zwölf- bis sechzehntausend. Heute handelt es sich zumeist um Kontraktarbeiter. Menschenrechtler in Rußland nehmen jedoch an, daß dort immer noch zahlreiche nordkoreanische Zwangsarbeiter festgehalten werden. Der Hunger ist in diesen Camps weit verbreitet.
Erst im Juni vergangenen Jahres hatte die Regierung in Moskau ein Geheimabkommen zwischen Moskau und Pjöngjang annulliert, das es Nordkorea gestattete, große Abholzungslager im russischen Fernosten zu unterhalten. Dieser Beschluß erfolgte, nachdem Sergej Kowaljow, Rußlands ranghöchster Menschenrechtsbeauftragter – und selbst ehedem politischer Gefangener – einige dieser Camps besichtigt hatte. Bei seiner Reise, die ihn auch in eine Region 1.000 Kilometer nördlich von Wladiwostok führte, stieß er auch auf ein geheimes Protokoll zwischen den damaligen sowjetischen und nordkoreanischen Geheimdiensten, das den Nordkoreanern freie Hand für ihre Aktivitäten auf sowjetischem Territorium gab. Viele der nordkoreanischen Holzfällerlager waren heimlich in den sechziger Jahren als Umerziehungslager für Nordkoreaner errichtet worden, die aus dem Ausland in ihre Heimat zurückgekehrt waren. Sie unterstanden nordkoreanischer Regie. Die Funktionäre des Pjöngjanger Regimes konnten dort schalten und walten, wie sie wollten. Obwohl die Moskauer Regierung die Genehmigung annulliert hat, gilt es als sicher, daß lokale Funktionäre die Verträge weiterführen, um sich ihre Einkommen aus dem lukrativen Holzhandel zu erhalten.
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