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Nordamerikanische Freihändler jetzt am Grübeln

■ Nach zwei Jahren Nafta enttäuschte Hoffnungen in Mexiko und den USA

Mexiko-Stadt (dpa) – Die Propheten des internationalen Freihandels kommen ins Grübeln, wenn die eigenen ArbeiterInnen betroffen werden: Wenn es nach dem vor zwei Jahren in Kraft getretenen Nordamerikanischen Freihandelsabkommen (Nafta) gegangen wäre, hätten seit der Vorweihnachtswoche mexikanische Lastkraftwagen im gesamten Gebiet der US-Grenzstaaten Kalifornien, Arizona, Neu-Mexiko und Texas verkehren dürfen. Doch mit der freien Fahrt von Mexiko-Stadt bis Dallas oder San Francisco wird es vorerst nichts. Mit dem Argument, daß die mexikanischen Lkw nicht den amerikanischen Sicherheitsbestimmungen genügten, hat die US-Regierung das Inkrafttreten der Bestimmung im letzten Moment verhindert.

Nicht nur der Transportstreit belastet derzeit die Beziehungen zwischen den USA und Mexiko. Auch sonst gab es auf beiden Seiten des Rio Grande wenig Neigung, den zweiten Geburtstag der am 1. Januar 1994 von Mexiko, den USA und Kanada ins Leben gerufenen Nafta zu feiern. Nach dem Abkommen sollen innerhalb von 15 Jahren sämtliche Zölle zwischen den drei Ländern abgebaut werden. Sowohl Bill Clinton als auch seine mexikanischen Amtskollegen Carlos Salinas de Gortari und Ernesto Zedillo konnten ihr Versprechen nicht einhalten, daß Nafta mehr und besser bezahlte Arbeitsplätze bescheren würde.

In Mexiko haben 1995 mehr als eine Million Menschen ihren Arbeitsplatz verloren. Mit der im Dezember 1994 ausgebrochenen Peso-Krise stürzte die mexikanische Volkswirtschaft 1995 in die tiefste Rezession seit Jahrzehnten. Die Realeinkommen sinken in Mexiko in diesem Jahr um rund 25 Prozent. Für die Peso-Krise wird Nafta allerdings nicht direkt verantwortlich gemacht.

Seit sich mit der Peso-Abwertung das Handelsbilanzdefizit Mexikos gegenüber den USA in einen Überschuß verwandelt hat, steigt aber auch in den USA die Furcht vor dem Verlust von Arbeitsplätzen. Mexikos Exporte in die USA stiegen in diesem Jahr um gut 30 Prozent, die Importe sanken um etwa zehn Prozent. Nach einem Bericht der New York Times haben verschiedene US-Firmen in diesem Jahr wegen der niedrigeren Kosten Kapazitäten nach Mexiko verlagert. „Hier ist eine der Situationen, wo ich wünschte, daß wir unrecht gehabt hätten“, zitierte die Zeitung Mark Anderson, Funktionär des Gewerkschaftsbundes AFL-CIO, der schon immer gegen Nafta war. Der Ökonom Gary Hufbauer erklärte kürzlich, das Handelsbilanzdefizit mit Mexiko könne die USA 225.000 Arbeitsplätze kosten.

Mexikos Außenminister José Angel Gurria meint hingegen, daß Nafta die mexikanische Krise, so schwer sie bisher auch war, abgemildert habe. Denn das Freihandelsabkommen habe Mexikos Chancen, in die USA zu exportieren, verbessert. Allein in den ersten drei Quartalen 1995 stieg das Positivsaldo Mexikos auf 11,3 Milliarden US-Dollar, ein Rekord in der Geschichte der Handelsbeziehungen zwischen beiden Ländern.

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