piwik no script img

Archiv-Artikel

Noch schnurrt die Katze

Vor dem Rückrundenstart der Fußball-Bundesliga: Was der Wolfsburger Chef Felix Magath mit dem Torhütertausch Diego Benaglio gegen Simon Jentzsch klarmacht – den Mitbewerbern wie auch den eigenen Leuten

Der Fußballbundesligist VfL Wolfsburg gleicht einer Katze, die zum Sprung ansetzt: Man schaut ihr gefesselt zu, könne aber nicht sicher sein, dass der Sprung tatsächlich erfolgt. Kann auch sein, dass das Kätzchen noch eine Weile schnurrend sitzen bleibt. So hat ein erfahrener Beobachter die Situation vor dem Rückrundenstart beschrieben – so schön wie treffend. Das Jahr beginnt jedenfalls mit einem wegweisenden Spiel: Am Mittwoch tritt der VfL im Achtelfinale des DFB-Pokals gegen Schalke 04 an.

Nach sechs Monaten der Regentschaft von Trainer und Manager Felix Magath ist bei der VW-Tochter VfL Fußball GmbH Diverses in Fluss gekommen – im Team und um das Team herum. Neu zur Rückrunde kamen der japanische Mittelfeldspieler Makoto Hasebe, der vom VfB Stuttgart ausgeliehene Stürmer Danijel Ljuboja – und zuletzt der Torhüter Diego Benaglio (vom portugiesischen Erstligisten Funchal). Alle drei waren am Samstag im letzten Testspiel im Einsatz, einem 1 : 1 gegen Eintracht Braunschweig.

Benaglio, 24, ist der 14. und bis auf Weiteres spannendste Neuzugang der Magath-Phase. Der Trainer kennt ihn aus gemeinsamen Tagen beim VfB Stuttgart. Damals war Benaglio die Nummer 3 und ein Talent – heute ist er Nummer 3 der Schweizer Nationalmannschaft und sofortige Nummer 1 beim VfL. Er löst im Tor und im Kader den langjährigen Stammkeeper Simon Jentzsch ab. Magath hatte ja stets von einem zu suchenden „Gespräch“ gesprochen, von dem Jentzschs Zukunft abhänge. Bevor er aber endlich einen Termin dafür fand, hatte er einen neuen Torhüter: Am letzten Tag des Wintertrainingslagers in Portugal teilte er Jentzsch mit, dass dieser künftig nicht mehr zum Kader gehöre. Bei der Vorstellung des Neuen in der vergangenen Woche sagte Magath dann, Benaglio sei die Lösung, die er seit dem 15. Spieltag angestrebt habe – jenem Samstag also, an dem er Jentzsch zur Halbzeit vom Feld genommen hatte.

Damit sind all jene Beobachter bestätigt, die Magath schon damals nicht glaubten, dass Jentzsch auch nur noch den Funken einer Chance habe. Eine Frage ist dennoch: Sollte man einen langjährigen und verdienten Mitarbeiter nicht mit einem Minimum an Stil verabschieden? Eine Denkschule sagt: Nein. Das sei halt Profifußball. Eine andere könnte argumentieren, dass gerade ein geschichtsloser Klub wie der VfL alles tun sollte, damit die wenigen Namen, Gesichter und Symbole der zehnjährigen Bundesliga-Geschichte positiv mit dem Klub verbunden bleiben. Augenthaler? Weggejagt. D’Alessandro? Verpufft. Effenberg? Ging im Krach. Hanke? Flüchtete zeternd. Und nun Jentzsch, der seit 2003 beim VfL war, 127 Bundesligaspiele – und damit ungewöhnlich lange.

Aber Moral wird häufig scheinheilig instrumentalisiert. Analysieren wir lieber kühl, dann könnte man die Sache so sehen: Magath will einen Klub verändern, den er allem Anschein nach für veränderungsunwillig hält. Das Neue ist umso schwerer umzusetzen bei Mitarbeitern, die mit dem Alten eigentlich ganz zufrieden sind. Dass Jentzsch sich ändern sollte, hatte Magath schnell klargemacht, zum Beispiel mit einem neuen Torwarttrainer.

Jentzsch, stark auf der Linie, aber mit Schwächen in der Strafraumbeherrschung, stand dem neuen Torwarttrainer und überhaupt der Veränderung offenbar nicht aufgeschlossen gegenüber – zumindest aus Magaths Sicht. Der sagte über seine neue Nummer 1: „Diego traut sich auch mal das Tor zu verlassen. Er dirigiert laut. Und er ist noch bereit, an sich zu arbeiten.“ Das haben manche als Kritik an Jentzsch interpretiert. Magath hat übrigens erneut einen anderen Torwarttrainer verpflichtet. Benaglio findet das prima. PETER UNFRIED