Noch mehr Feuer in Brasilien: Flammen verwüsten Sumpfgebiete
Seit Monaten sorgen die Feuer im Amazonas-Becken für Schlagzeilen. Doch auch im brasilianischen Pantanal wüten nun seit zehn Tagen schwere Brände.
Die Umweltkatastrophe trifft die Region nur wenige Monate nach einer mysteriösen Ölpest, die Strände im Nordosten des Landes verseuchte, und Waldbränden, die im August im Amazonasbecken wüteten.
Das Feuchtgebiet Pantanal, das sich über Teile Brasiliens, Boliviens und Paraguays erstreckt, ist beliebt bei Ökotouristen. Es gilt als eines der besten Safari-Ziele in Südamerika. Während der Regenzeit treten regelmäßig Flüsse über die Ufer, so dass ein Großteil der Region nur per Boot oder Flugzeug zu erreichen ist. In der trockenen Jahreszeit aber strömen Besucher in das Gebiet, um Jaguare, Aras, Kaimane und riesige Fluss-Otter in freier Wildbahn zu beobachten.
Doch in diesem Jahr dauerte die Trockenzeit viel länger als sonst. „In diesen Tagen mit hohen Temperaturen und sehr geringer Feuchtigkeit löst hier jeder Funke solche Brände aus, wie wir sie in den vergangenen Tagen gesehen haben“, erklärt Júlio Cesar Sampaio, Chef des Pantanal-Programms der Umweltschutzorganisation WWF. „Nur Regen kann das Feuerrisiko mindern.“
Verbrannte Echsen
Rettungshelfer haben in dem Gebiet verbrannte Überreste von Kaimanen, Leguanen und Schlangen gefunden. Nach Angaben der örtlichen Gruppe SOS Pantanal verloren gefährdete Hyazinth-Aras einen Großteil ihrer wichtigsten Nahrungsquelle, nachdem unter anderem Kokospalmen in Flammen aufgingen. Viele der blau-gelben Papageien flögen nun ziellos herum.
Die Region erlebte zwischen Januar und November fünfmal mehr Brände als im gleichen Zeitraum des vergangenen Jahres, wie das brasilianische Institut für Weltraumforschung mitteilte. Auch im Amazonasgebiet stieg die Zahl der Feuer, sie verteilten sich auf eine Fläche, die etwa halb so groß war wie die USA.
Flusspegel sinkt auf 20-Jahres-Tief
Die Brände im Pantanal dagegen konzentrieren sich auf die Stadt Corumba im Staat Mato Grosso do Sul. Dort tobten etwa zweimal so viele Brände wie in den am schlimmsten betroffenen Gemeinden im Amazonas-Regenwald. „Ein Feuer dieses Ausmaßes gab es noch nie“, sagt Angelo Rabelo, Präsident der Umweltschutzgruppe Homem Pantaneiro aus Corumba.
Brände sind in Pantanal zu dieser Jahreszeit ungewöhnlich, da eigentlich im Oktober heftige Regenfälle einsetzen. In diesem Jahr seien Flüsse und Sümpfe viel schneller ausgetrocknet, erklärt Rabelo. Der Pegel des Flusses Paraguay, eine der wichtigsten Wasseradern in der Region, ist auf ein 20-Jahres-Tief gesunken. „Der Klimawandel ist da“, sagt der Umweltschützer.
Brandrodung gilt als Ursache
Angesichts geringer Niederschläge, hoher Temperaturen, wenig Feuchtigkeit und starker Winde breiten sich die Flammen nach Angaben der Behörden in der niedrigen Vegetation schnell aus. Die Brände seien „von einer bislang unbekannten Dimension“, erklärte die Regierung von Mato Grosso do Sul. Gründe seien sowohl die trockenen Witterungsbedingungen als auch „kriminelle Aktivitäten“.
Nach Angaben der Feuerwehr stehen hinter den Bränden vermutlich Einheimische, die Äcker anzünden, um diese von Unkraut und Pflanzenresten zu befreien. Diese Praxis wird auch für viele der Feuer im Amazonas-Becken verantwortlich gemacht. Sie ist unter Viehzüchtern verbreitet, die auf diese Weise billig ihr Land reinigen.
Seltene Parpageienart betroffen
Die diesjährigen Brände im Pantanal wurden von den monatelangen Feuern in der Amazonas-Region überschattet. Der Gouverneur von Mato Grosso do Sul rief am 11. September den Notstand aus, nachdem in den fünf Wochen zuvor in dem Teil des Staates, der zu Amazonien gehört, mehr als 10.000 Quadratkilometer Land verbrannt waren.
Die Umweltschutzgruppe Hyazinth-Ara-Institut erklärte am Mittwoch, die Zerstörung im Pantanal im September und Oktober habe das größte Fortpflanzungszentrum der Hyazinth-Aras in dem Gebiet getroffen – und das mitten in der Paarungszeit. In 98 untersuchten Nestern seien mindestens vier Jungvögel gestorben, ihre Nasenlöcher seien mit Ruß verstopft gewesen.
Seitdem haben sich die Brände noch mehr ausgeweitet, und noch immer ist kein Regen gefallen. „Ich bin seit 23 Jahren Feuerwehrmann“, sagt Waldemir Moreira, der die Umweltschutz-Einheit der Feuerwehr in dem Staat leitet. „Natürlich hatten wir schon vorher Brände, aber jetzt ist es viel ernster. Wir wollen, dass auch die Welt unserem Pantanal Aufmerksamkeit schenkt.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern