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Nix gelernt

■ betr.: „Eine kurdische Entschei dung“, taz vom 4. 4. 96

Es gibt eine Menge guter Gründe, die PKK-Parteistruktur und ihre Politik zu kritisieren. Nur ist „Die PKK“ eben nicht nur Kaderpartei, sondern für viele kurdische Menschen auch politische Bewegung und soziale Instanz. Uns Metropolenlinken fällt es oft schwer, dies zu akzeptieren oder nachzuvollziehen.

[...] So mies wie ihr Umgangston, so falsch sind Vera Gaserows politische Schlüsse. Sie fordert wie Kanther und Kinkel die anderen kurdischen Gruppen auf, sich „nach Jahren der stillschweigenden Duldung, die bisher alle politischen Differenzen zukleisterte“ endlich von der PKK zu distanzieren. Damit verkennt Frau Gaserow, daß sich in den letzten Jahren genau der umgekehrte Prozeß vollzogen hat.

Nach Jahren der unüberbrückbaren, politischen Differenzen hat sich mittlerweile ein Annäherungsprozeß der unterschiedlichen kurdischen Parteien vollzogen. Innerhalb der größten „Konkurrenzorganisation“ außerhalb Türkei/ Kurdistans „KOMKAR“, haben sich an der Frage der Zusammenarbeit mit der PKK zwei unterschiedliche Fraktionen gebildet. Vom „Zukleistern politischer Differenzen“ kann also keine Rede sein.

Auch der Versuch, die PKK in eine Reihe mit Hamas und Dschihad zu stellen, ist nichts anderes, als Frau Gaserows Versuch, mit dem Reflex, den die Androhung von Selbstmordattentaten auslöst, zu kalkulieren. Selbstmordkommandos, deren Einsatz ich persönlich ablehne, sind schon immer ein Mittel der Guerillakriege gewesen und bedeuten nicht zwangsläufig den Einsatz gegen die Zivilbevölkerung. Wer allerdings die PKK automatisch mit Hamas und Dschihad in einem Atemzug nennt, hat natürlich den Hintergedanken, auch das Weltbild dieser Gruppen auf die PKK zu übertragen. [Das Weltbild Ghandis läßt sich ja auch schlecht auf Herrn Öcalans PKK übertragen! d.sin] [...] All diese Geschichten hatten wir schon einmal in der taz, nämlich 1986. Auch da wurde von der PKK als einer Gruppe „mit dem paranoiden Weltbild“ und von einer „Sekte, die ihr Unwesen treibt“ geredet. Schon damals war die Einschätzung falsch, nach der „die PKK ... sich zu einer nicht ungefährlichen Sekte entwickelt, die nach dem Scheitern ihrer Kämpfer in Kurdistan (!) nun in Europa gegen ,Verräter‘ zu Felde zieht.“ Da hat Frau Gaserow anscheinend nichts dazugelernt. Andreas Stiewe, Bochum

Wie viele „sonnenhungrige Türkeiurlauber“ sind denn bisher Opfer der PKK geworden? Und wie viele kurdische Oppositionelle sind bereits von den türkischen „Sicherheitskräften“ gefoltert und ermordet worden?

[...] Die deutsche Bundesregierung, Kinkel eingeschlossen, ignoriert seit Jahren die erdrückenden Beweise für Menschenrechtsverletzungen in der Türkei. Statt dessen wird die türkische Regierung mit Waffen und Wirtschaftshilfe freigiebig ausgestattet und ihr Image durch das Angebot auf Zollunion mit der EU aufgewertet. Wer mit Mördern und Folterknechten kollaboriert, sollte sich nicht wundern, wenn er selbst Opfer von Morddrohungen wird. Benjamin Franksen, Berlin

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