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Nirvana statt Disneyland

■ Das finale Road Movie: „Frameup“ von Jon Jost, ab heute im Kino 46

Der Titel ist doppelsinnig: In der Terminologie des Films heißt to frame ins Bild setzten – in kriminellen Kreisen ist ein Frameup ein abgekartetes Spiel. Für den avantgardistischen Filmemacher Jon Jost ist das Genre des Road Movies solch eine Falle: Jedesmal brechen da zwei loser zu aufregenden und kriminellen Abenteuern auf, um am Schluß möglichst romantisch abgeschlachtet zu werden. „Bonnie and Clyde“, „Badlands“, Dutzende von B-movies und letzlich auch „Thelma and Louise“ sind nach diesem Muster gestrickt und Jost hat nun die Konventionen dieser Filme konsequent gegen den Strich gebürstet. „Frameup“ ist keine Parodie, den Jost ist alles andere als ein Fan des Genres: sein Film ist eher eine radikale Analyse – boshaft, oft witzig und mit überraschend poetischen Zwischenspielen: Jost unterteilt ihn in „12 Sätze zum einzig möglichen Ende hin“.

In diesen Kapiteln mit lakonischen Titeln wie „Him“, „Her“, „Pickup“ und „Holdup“ erzählt er von Ricky Lee und Beth Ann, die beide so übertrieben als amerikanische Antihelden portraitiert werden, daß man oft zwischen ungläubigem Staunen und Lachen hin- und hergerissen wird. Jost gelingt es, mit jeder Einstellung das Publikum zu überraschen; während der Plot so vorhersehbar wie bei allen Filmen des Genres ist, wechselt er laufend den Erzählstil: vom Trickfilm über extrem lange Nahaufnahmen bis zu tabubrechenden Szenen der Nacktheit und des Sterbens. Im Kontrast zu den majestätisch ruhigen Landschaften von Idaho, Oregon und California wirkt die Banalität von Beth Ann und Rickie Lee grotesk: Ihre Kitschromane, sein Machogehabe, die überall gleichen Motelbetten und das typisch amerikanische Autofahren um des Autofahrens willen führt Jost mit fast zynischer Konsequenz vor. Man kann sich lange über diese beiden Narren amüsieren, aber spätestens bei der fast unerträglichen Hinrichtungsszene vergeht auch dem letzten das Lachen. Jost macht dem Zuschauer klar, auf wessen Kosten er sich in diesem Genre unterhält. Aber er gräbt noch tiefer und entdeckt hinter dem Plot des Road Movies das Passionsspiel. So findet Beth Ann am Schluß Erlösung: Bis Disneyland ist sie nie gekommen, aber das Nirvana hat sie erreicht.

Wilfried Hippen

Originalfassung mit Untertiteln/ Kino 46, Fr. u. Sa. 20.30 Uhr, So. bis Di. 18.30 Uhr

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