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■ Atmungsaktive Deckel: Kaffeesahneproblem gelöstNie wieder Volltrottel

Bestellt man sich einmal keine Schale Milchkaffee, sondern eine ganz normale Tasse Kaffee, erhält man eine Portion Kaffeesahne dazu. Das verflixte Ding aber, in der die Kaffeesahne üblicherweise drin ist, traut man sich kaum zu öffnen. Denn entfernt man sein Aludeckelchen, spritzt oft eine nicht geringe Menge der weißen Substanz durch die Gegend, manchmal sogar auf den Rock der Nachbarin.

Das ist sehr unangenehm, zumal die Nachbarin den Übeltäter wahrscheinlich für einen Volltrottel hält. Allerdings völlig zu Unrecht. Im Laufe der Zeit bilden sich in dem Behältnis der Kaffeesahne nämlich Gase, die beim Öffnen blitzschnell herausströmen und die dabei zum Ärger des Kafeetrinkers Kaffeesahne mit sich reißen.

Der sächsische Unternehmer Ludwig Seybold, Hersteller von Kaffeesahne, hat dieses Problem nun gelöst. Seybold vertreibt seit letzter Woche Kaffeesahne mit einer Art Belüftungssystem: Das Aludeckelchen ist durch eine „atmungsaktive Biomembran“ ersetzt worden, so daß die entstehenden Gase jederzeit entweichen können. Es entsteht kein Überdruck im Plastikdöschen mehr, und beim Öffnen desselben entfällt damit das lästige Verspritzen der Kaffeesahne. Ludwig Seybold über seine Erfindung: „Wer bei dieser harten Konkurrenz heute bestehen will, muß innovativ sein. Mit unserer atmungsaktiven Biomembran schlagen wir zwei Fliegen mit einer Klappe. Es gibt jetzt keine Sahnespritzer mehr, und zum anderen produzieren wir ein umweltverträgliches Produkt.“

Ludwig Seybold hatte schon zu DDR-Zeiten den Traum, umweltgerechte Artikel zu fabrizieren. Nur wollte damals keiner etwas von seinen Ideen wissen. Heute ist er in Sachen ökologisches Management absolute Spitze in Ostdeutschland. Bald schon wird auch das Plastikdöschen der Kaffeesahne durch eine recycelbare Pappkonstruktion ausgetauscht. „Dann ist die Verpackung der Seybold-Kaffeesahne hundert Prozent Öko“, verkündete Seybold stolz.

Doch nicht alle Kunden freuen sich über die Erfindungen des cleveren Sachsen. Viele Kaffeetrinker sammeln die Aludeckelchen, die häufig mit mehr oder weniger schönen Tier-, Auto- oder Landschaftsmotiven bebildert sind. Mehrmals schon haben bei der Firma Seybold empörte Sammler angerufen und sich über die „atmungsaktive Biomembran“ beschwert. Denn das Naturprodukt hält nicht ewig: Nach vier bis fünf Jahren zersetzt es sich. In der Schweiz, wo das Sammeln der Aludeckelchen besonders beliebt ist, wurde schon zum Boykott der Seybold-Kaffeesahne aufgerufen. Das läßt Ludwig Seybold ziemlich kalt: „Ein paar Spinner gibt es immer. Die atmungsaktive Biomembran wird sich weltweit durchsetzen. Man kann ja auch andere Dinge sammeln.“

Die Sammler der Aludeckelchen wiederum halten den Unternehmer aus Sachsen für einen Spinner. „Mit dem Ökotick vergällen uns Leute wie Seybold die letzten Freuden des Lebens“, meint beispielsweise Urs Liehmer, Vorsitzender vom Solothurner „Verein für das Sammeln von Kaffeesahnedeckeln“ (VfdSvK). Auf die Frage, ob er nicht befürchte, sich mit dem Boykottaufruf lächerlich zu machen, antwortet er: „Wenn sich hier einer lächerlich macht, dann ist das Seybold. Nur weil einige Hansel mit der Kaffeesahne nicht sachgerecht umgehen können, müssen ehrenwerte Sammler wie wir dafür büßen.“ Carsten Otte

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