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Archiv-Artikel

Nichtdeutsche Familien-Paranoia

Senat will Hamburgs einzige Beratungsstelle für binationale Familien schließen. Sozialbehörde streicht Förderung zum Jahresende und verweist hilfebedürftige deutsch-ausländische Paare an Ämter. Heftige Kritik von Helfern und Betroffenen

Von EVA WEIKERT

Der CDU-Senat reißt eine weitere Lücke in das Hilfsangebot für Benachteiligte: Hamburgs einzige Beratungsstelle für binationale Familien, iaf, steht vor dem Aus. Die Sozialbehörde hat die Streichung der kompletten Förderung angekündigt. „Wir nehmen das nicht sang- und klanglos hin“, warnte gestern Cornelia Pries, Geschäftsführerin des Vereins, der deutsch-ausländische Paare etwa bei aufenthaltsrechtlichen Fragen oder drohender Kindesentführung berät. Der Paritätische Wohlfahrtsverband, unter dessen Dach iaf organisiert ist, äußerte „völliges Unverständnis“ über den Sparbeschluss. Vorstandschef Richard Wahser mahnte: „Die Beratungsstelle arbeitet hoch effektiv.“

Wie die für den Kahlschlag verantwortliche Behörde unter Senatorin Birgit Schnieber-Jastram (CDU) gestern bestätigte, stellt sie ihre jährlichen Zuwendungen an iaf (siehe Kasten) in Höhe von 83.000 Euro zum Jahresende ein. Zur Begründung sagte Behördensprecherin Anika Wichert, angesichts „knapper Kassen können wir uns ein so spezielles Angebot nicht mehr leisten“. Künftig sollten öffentliche Träger wie die Ämter für soziale Dienste die Hilfe für Familien mit Migrationshintergrund übernehmen, so Wichert, „und sie tun das auch schon“.

Über diese Absicht kann iaf-Geschäftsführerin Pries nur den Kopf schütteln: „Das wäre schön, wenn die anderen unsere Arbeit machen könnten“, sagt sie, „aber die Regeldienste sind mit der interkulturellen Beratung häufig überfordert und schicken die Leute ja deshalb zu uns.“

Dem Wohlfahrtsverband zufolge gibt es nämlich in Hamburg derzeit „kein zur iaf vergleichbares Angebot“. In der Anlaufstelle in Eimsbüttel beraten drei Angestellte und 15 Ehrenamtliche in fünf Sprachen. Die Ratsuchenden werden aber nicht nur vom Jugendamt geschickt, sondern auch von Gerichten und Anwälten, weil die iaf als kompetent etwa in Fragen des internationalen Familienrechts, der Beurkundung oder des Aufenthaltsrechts gilt. Zugleich bietet die iaf Konflikt- wie auch Trennungsberatung durch eine Psychologin an. Chefin Pries sagt: „Mit einem Streit über die Frage, ob man sein Kind beschneiden lässt, geht keiner zum Amt.“

Auch Andrea (Name geändert) hat wenig Vertrauen in Hamburgs Behörden und sich darum an iaf gewandt. Weil die Ausländerbehörde den Sorgerechtsnachweis ihres afrikanischen Freundes über den gemeinsamen Sohn „verlegte“, so Andrea, hatte sie einen Grund, dem Flüchtling einen sicheren Aufenthaltsstatus monatelang zu verwehren. „Reine Schikane“, empört sich die 25-Jährige. Später habe die deutsche Botschaft in Elfenbeinküste, wo Andreas Freund herstammt, durch Dokumentenforderungen die Hürden für die geplante Hochzeit „unerreichbar hoch“ gelegt, so dass das Paar mit Unterstützung von iaf in Dänemark heiratete. „Binationale Paare erleben eine extreme staatliche Kontrolle und Scheineheparanoia seitens der Behörden“, rügt Pries. Ob dieser „Gängelung ist die Forderung absurd, sich zur Beratung an eine staatliche Stelle zu wenden“.

Mit der Heirat sind Andreas Probleme längst nicht vom Tisch. Inzwischen ist ihr Sohn vier und müsse sich wegen seiner Hautfarbe Sprüche anhören wie „Du siehst doof aus, weil du braun bist“ oder „Hast du viel Karottensaft getrunken.“ Seine Mutter sagt, iaf helfe ihr, „mit dem Alltagsrassismus umzugehen“.

Um die Beratungsstelle noch zu retten, erwägt ihr Dachverband jetzt den Gang vor Gericht. Der Paritätische hält die kurzfristige Mittelstreichung „von 100 auf null“ für die langjährig geförderte Einrichtung für „bedenklich“, so Verbandschef Wahser: „Wir prüfen den Rechtsweg.“