■ Kommentar: Nicht zu weit gehen
Nun sprießt es doch noch, das zarte Pflänzchen der Hoffnung: Hamburgs Polizeiobere öffnen sich und erlauben interessierten BeamtInnen das Engagement für eine nicht gerade kleine Bevölkerungsgruppe. Viele Jahre mühten sich Aktivisten erfolglos um die Zusage, die körperliche Unversehrtheit Schwuler als das zu schützen, was sie ist: ein Grundrecht. Doch Hamburgs Politik erfand immer wieder fadenscheinige Gründe zur Bemäntelung ihres Desinteresses.
Polizeipräsident Semerak kann sich freuen: Neben dem „leidigen“ Thema Polizeiskandal hat er nun ein ganz neues Feld, dem er sich „schon immer“ öffnen wollte und wo freundliche Schlagzeilen zu erhoffen sind. Ein reinigendes Schuldbekenntnis gegenüber den Schwulen läßt er jedoch vermissen. So weit darf die neue Opferorientierung denn doch nicht gehen.
Aber auch die Schwulenbewegung, wenn es diese denn überhaupt so gibt, vermeidet die „Antischwulengewalt-Diskussion“. Zwar werden Schwule alltäglich diskriminiert, verhöhnt und verletzt, aber gegen Spießertum – wie in Hummelsbüttel – läßt es sich doch viel einfacher demonstrieren. Dort hatten im vorigen Jahr dumpfe Vorbehalte und die Angst spießbürgerlicher Anwohner vor sinkenden Grundstückspreisen eine Wohnanlage für ältere Schwule und Lesben verhindert.
Doch Solidarität mit den Gewaltopfern wird auch innerhalb der gay community schmerzlich vermißt. Opfer scheuen den Weg zur Polizei – und das outing im Freundeskreis. Hier gäbe es ein konkretes Ziel, im Kampf um gleiche Bürgerrechte ebenso wie im Ringen um körperliche und auch seelische Unversehrtheit.
Miguel-Pascal Schaar
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