: Nicht wörtlich gemeint
■ Widersprüche im Scientology-Prozeß
Worte zu verdrehen ist für Franz Riedl, den Vize-Chef der Hamburger Scientologen, die Kunst der Journalisten: „Die greifen einen Satz aus dem Zusammenhang und benutzen den, wie es ihnen paßt.“ Speziell gemeint war damit der Journalist B., dem die Scientology-Pressesprecherin Gisela Hackenjos im Juli 1992 nach einem kritischen Bericht über die Sekte am Telefon drohte: „Ihre letzte Stunde hat geschlagen“. Als B. fragte, was sie damit meine, antwortete sie: „Den Rest überlasse ich ihrer blühenden Phantasie.“
Was sie nun damit meint, versuchte Hackenjos gestern in der Fortsetzung des Nötigungs-Prozesses vor dem Hamburger Strafgericht klarzustellen: „Ich habe ihm eine Absage als Kontaktperson erteilt.“ Die Zeugen, die mit der Angeklagten im Pressezentrum der Scientologen tätig sind, bestätigten dies. Sabine Tietze: „Wer sie kennt, der wußte, daß sie es nicht ernst meinte.“ Andrea Gregorich: „Man wollte, daß er nicht mehr anruft.“ Wörtlich hätte man die Aussage „absolut nicht“ verstehen können.
Daß B. diese Aussage als Bedrohung empfinden und Angst um seine Sicherheit haben könnte, glaubt Gisela Hackenjos nicht: „Nach so langem, intensiven Kontakt konnte man das nicht als Drohung verstehen.“ Und den Satz mit dem „Rest“, den B. sich denken sollte, habe sie nur gesagt, „weil ich ihm vom Telefon weghaben wollte“.
Viele Fragen bleiben während des Verfahrens offen: Warum beendete Gisela Hackenjos den Kontakt, obwohl B. im Rahmen seiner Recherchen ausschließlich mit Tietze sprach? Warum erteilte Riedl Hackenjos einen Verweis, wenn alles nur „ein Mißverständnis“ war? Warum sprach die Scientologin nicht nochmal mit B., um das „Problem“ aus der Welt zu schaffen? Der Prozeß wurde vertagt. svd
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