: Nicht touristisch
■ Banales von Wichtigem trennen: Ein Interview mit Rabih Abou-Khalil, der mit seiner Band in der Fabrik gastiert
Der in München lebende libanesische Komponist und Oud-Spieler Rabih Abou-Khalil gilt als Mittler zwischen östlicher und westlicher Musik. Auf der Grundlage seines Studiums sowohl arabischer Musik als auch westlicher Klassik schafft er eine organische und klangsinnliche, musikalisch jederzeit fundierte Verbindung von Orient und Okzident. Am Sonntag spielt die Rabih Abou-Khalil Group in der Fabrik.
taz hamburg: Ihre Platten erreichen regelmäßig höchste Plazierungen in den Jazz-Charts, fühlen Sie sich überhaupt als Jazzmusiker?
Rabih Abou-Khalil: (lacht) Nein, ich weiß aber auch nicht, wie sich ein Jazzmusiker fühlt. Nach meinen Hörgewohnheiten und dem, was ich in der Musik gerne ausdrücken möchte, fühle ich mich keiner Gattung verpflichtet. Abgesehen von den Improvisationen und vielleicht bestimmten Klangfarben sehe ich in meiner Musik auch keine Jazzelemente, eher schon arabische Elemente, aber auch das trifft nicht so ganz.
Zu Ihrem Instrument, der arabischen Laute, wie heißt es eigentlich, die oder das Oud?
Das wäre eine germanistische Frage. Ich finde das Neutrum immer besser für ein Instrument, obwohl man ja sagt: die Laute.
Aber in Stimmung und Klangcharakter unterscheidet sich das Oud doch sehr von seiner europäischen Variante.
Es ist der Ursprung der europäischen Laute, das Wort Laute kommt ja von Oud. Das Instrument ist im Mittelalter mit den Mauren nach Spanien und Europa gekommen. Ursprünglich wird sie mit 5 Saitenpaaren gespielt. Ich habe mir noch eine 6. Saite aufgezogen und spiele auch mit einer eigenen Stimmung. Das klingt bei meiner Spielart einfach besser.
Spielen Sie das Instrument in einer traditionellen Technik?
Mit Sicherheit nicht. Arabische Musik ist ja eine Vokalmusik, und die Instrumente haben sich nicht so weit emanzipiert vom Gesang. Ich habe einfach andere Spieltechniken entwickeln können, die es für das Instrument traditionell gar nicht gibt.
In Ihrer Musik verarbeiten Sie sehr verschiedenartige Einflüsse. Streben Sie dabei an, dass sich die Bestandteile in einer neuen musikalischen Einheit auflösen oder wollen Sie gerade, dass sie identifizierbar bleiben, etwa im Sinn einer Collage?
Das ist eine schwere Frage, weil ich stilistische Mittel nicht zielgerichtet einsetze. Ich sage nicht, hier brauche ich etwas Orientalisches, hier etwas Jazziges. Ich bin im Libanon aufgewachsen, wohne aber schon seit 20 Jahren in Deutschland. Insofern verfüge ich über eine gewachsene Persönlichkeit, aus der ich nicht bestimmte Elemente herausbrechen möchte im Sinne von: Das ist meine westliche, das ist meine orientalische Seite. Ich kann beim besten Willen nicht sagen, was woher kommt.
Die Jazzmusiker Dave Holland und John Surman haben mit dem tunesischen Oud-Spieler Anuar Brahem eine sehr faszinierende Platte eingespielt, danach aber von ihren Schwierigkeiten berichtet, sich in das musikalische Material einzufinden, Noten ohne Takteinteilung, keine Harmoniefolgen ...
Ich habe klassische europäische Musik studiert, das heißt, ich weiß, wie ich das Material vermitteln muss. Wenn ich mit westlichen Musikern arbeite, dann kenne ich deren Ausdrucksmöglichkeiten, und ich würde ihnen nicht das gleiche Material an die Hand geben wie ihren orientalischen Kollegen.
Die meisten Projekte, die in Richtung Weltmusik gehen oder das, was man heute Weltmusik nennt, sind Projekte, bei denen die Musiker ihre gegenseitige Kultur nicht gut genug kennen und verstehen. Sie können das Banale vom Wichtigen nicht unterscheiden. Aber die Frage ist ja nicht, West und Ost zu verbinden, um irgend ein touristisches Programm zu machen, sondern etwas zu finden, das ein gemeinsames Projekt wirklich tragen kann.
Interview: Manfred Müller
Sonntag, 21 Uhr, Fabrik
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