: Nicht mehr nackt an den Strand
■ Sonnenbrände bei Kindern erhöhen Krebsrisiko / „Vorbräunen“ in Solarien sinnlos / Ab Juli UV-Warnung im Wetterbericht Von Kaija Kutter
Nichts mehr mit Badehose einpacken. Ein luftiger Jogging-Anzug sollte es schon sein, wenn in diesem Sommer Eltern mit ihren Kindern an die See fahren. Denn Sonnenbrand, so warnte gestern Gesundheitssenatorin Helgrit Fischer-Menzel, tut vor allem Kinderhaut gar nicht gut. Das bestätigt die gestern veröffentlichte Untersuchung von 7000 Hamburger Schulanfängern im Jahr 1993, die auch 1994 fortgesetzt werden soll.
Kinder mit vielen Sonnenbränden, so das Fazit, haben „signifikant mehr Pigmentmale“ als Kinder mit wenigen Sonnenbränden. Dabei, und das ist neu, sei es egal, ob es sich um schwere oder leichte Sonnenbrände handelt.
Pigmentflecken gelten zur Zeit als „wichtigster Risikoindikator“ für schwarzen Hautkrebs, auch Melanom genannt. Diese Krebsform hat in den vergangenen 20 Jahren in der weißen Bevölkerung schneller zugenommen als alle anderen Krebsarten, sagt die Senatorin. Die jährliche Zuwachsrate beträgt zwei bis drei Prozent. 1992 starben in Hamburg 71 Menschen an Hautkrebs, der - frühzeitig erkannt - zu 100 Prozent heilbar ist. Jährlich kommen fast 200 Neuerkrankungen hinzu. Die Latenzzeit dauert bis zu 20 Jahre.
„Wenn wir unseren Kindern etwas Gutes tun wollen, müssen wir sie vor der Sonne schützen“, so Fischer-Menzel. Vor allem Kinder unter 5 Jahren seien gefährdet. Auch wenn es Eltern aus „psychologischen Gründen“ schwer falle“, die Kinder nicht mehr nackt herumlaufen zu lassen, müßten sie sie mit Kleidung und Creme schützen.
Wie dies aussehen könnte, haben Maike, Sascha und Nicole gestern im Rathaus schon mal vorgeführt. Modedesign-StudentInnen verpaßten ihnen luftige Strandkittel, Pumphosen und Sonnenkappen mit Nackenschutz. Auch die umgedrehte Baseballkappe ergibt so endlich Sinn.
Eltern benötigten die „tägliche Erinnerung, daß es Sonnenbrand gibt“, ergänzte gestern der Hamburger Dermatologe Eckhard Breitbart. Das Risiko sei bei sehr empfindlichen Hauttypen schon nach sieben Minuten gegeben. Deshalb soll ab Juli diesen Jahres bundesweit mit dem Wetterbericht ein „Solar Index“ über die schädliche UV-Strahlung informieren. „Wir bemühen uns um eine populäre Darstellung dessen, was wir kompliziert ausrechnen“, sagte Klaus Dehme vom Meteorologischen Institut Potsdam, das drei Meßstationen im Norden betreibt. Mit einer Skala von 1 bis 10 soll der Grad der Gefährdung veranschaulicht werden. Allerdings, so Dehme, könne man die Wolken nicht vorhersagen: „Dafür müssen wir die Leute erziehen, auch mal in den Himmel zu gucken“. Eine hohe, weiße Wolkendecke schwäche die Sonnenstrahlung nicht, tiefe dunkle hingegen schon.
Alles Vorsorge fürs Ozonloch? „Zur Zeit“, so beteuerte Breitbart, gebe es noch keine verstärkte UV-Belastung durch die jährlich um 0,7 Prozent dünner werdende Ozonschicht. Die Schwächung der oberen Schichten, erläuterte Klaus Dehme der taz auf Nachfrage, werde im Sommer durch die Zunahme des Ozons am Boden ausgeglichen.
Die Experten führten gestern die Hautkrebszunahme auf das „veränderte Urlaubsverhalten“ in den vergangenen 40 Jahre zurück. Zwar gingen die BundesbürgerInnen in jüngster Zeit häufiger in Solarien als in die Sonne, aber auch davor warnte die Gesundheitssenatorin. Kinder und Kleinkinder dürften überhaupt nicht hinein. Und da die Apparate das Sonnenbrand verursachende UV-B-Licht absichtlich nur in geringer Dosis abgeben, sei die von Hamburger Solarien gepriesene „Abhärtung“ zudem wirkungslos.
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