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Nicht ist mehr, wie es war

■ Achter ZDF-Fernsehrat konstituiert / Jutta Ditfurth ist Mitglied /ZDF kündigt gemeinsames Programmschema mit der ARD auf

Wenn der ZDF-Intendant Dieter Stolte nicht gerade redet, dann sieht er sich um. Während der Fernsehrats-Vorsitzende und Mainzer Gemütsmensch Jockel Fuchs volkstümlich die Ergebnisse der Ratssitzung vom 8.Juni darlegt, mustert Stolte unverhohlen die Teilnehmer der Pressekonferenz auf dem Lerchenberg. Hängen bleibt sein Blick bei einer Frau, die rechter Hand drei Meter von ihm entfernt sitzt und schweigt. Sie scheint ihm nicht zu gefallen. Seine Miene pendelt zwischen Mißtrauen und Neugier, und als er nach einer kurzen Ewigkeit wieder wegschaut, vollführt sein übergeschlagenes Bein unwillkürlich einen Tritt in Richtung Tür. Die Frau ist neu unter den Vertretern gesellschaftlicher Relevanz im Fernsehrat; sie heißt Jutta Ditfurth.

Wenn Dieter Stolte redet, dann hat er seinen Blick und die Motorik seiner Gliedmaßen unter Kontrolle. Dann sagt er Sätze wie diesen: „Wer schnell gibt, gibt doppelt“, und meint damit den neuen Länderspiegel am Abend, mit dem das ZDF ab dem 31.Juli einmal monatlich aus den künftigen Ländern der DDR berichten wird. Anfang Juli wird der Sender einen ständigen Korrespondenten nach Leipzig schicken, man möchte so „rasch wie irgend möglich zu den neuen Studios“ in der DDR kommen, denn es versteht sich, so Fuchs, „daß das ZDF einen Auftrag für Deutschland hat“. Diesen Auftrag werden die Mainzer vorläufig im Rahmen des „opulent gestalteten, filmischen“ Länderspiegels an den DDR-Bürgern erfüllen.

Doppelt geben will man es auch der ARD. Das gemeinsame Programmschema von erstem und zweitem Programm soll zum 31.Dezember 1990 beendet werden. Dann beginnt das ZDF mit seinen Hauptabendsendungen, wenn bei der ARD die Tagesschaufanfare ertönt: um 20Uhr. Damit reagiert man auf die bundesweite Vereinheitlichung des Vorabendprogramms der ARD ab 1991, durch die man die Einschaltquoten für die heute-Sendung bedroht sieht. Nichts wird mehr so sein, wie es einmal war - Deutschland wird sich auf einen Paradigmenwechsel in der Abendgestaltung einstellen müssen: „20Uhr15 ist nicht mehr die Drehscheibe, nach der sich alles richten muß.“

Der DDR soll es nicht nur journalistisch gegeben werden. Nach Öffnung der Grenze hat das ZDF festgestellt, daß die östliche Bausubstanz in keinem guten Zustand mehr ist. Und wo die gesellschaftlichen Verhältnisse radikal modernisiert werden sollen, meldet sich lautstark der Denkmalschutzgeanke. Als „nationale Aufgabe“, die Geschichte „in ihren steinernen Zeugen sinnlich erfahrbar zu machen“. Ohne Geld keine Sinnlichkeit, und deshalb arbeitet das ZDF seinerseits an der Bewältigung der nationalen Aufgabe durch eine neue Fernsehlotterie.

Zu alledem hätte man natürlich auch gerne zwei Worte von Jutta Ditfurth gehört. Aber sie schwieg und verschwand dann vorzeitig durch die Tür, auf die das Bein von Professor Stolte gezeigt hatte. Ob sie gemerkt hat, daß sie dem Intendanten nicht ganz koscher ist?

Thomas Adam

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