: „Nicht immer Schnaps klauen“
■ Einzelhändler starten Aktionswoche gegen Ladendiebe / In Berlin verschwinden täglich Waren im Wert von 450.000 Mark
Vor den Ladendieben liegt eine harte Woche, denn der Berliner Einzelhandelsverband hat gegen sie gerüstet. Unter dem Motto „Ladendiebstahl – kein Weg“ begann gestern eine Aktionswoche, die sich sowohl gegen Ladendiebe und als auch gegen einen Vorstoß von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger richtet. Die Ministerin hatte vor kurzem vorgeschlagen, Ladendiebstähle nur noch als Ordnungswidrigkeit zu ahnden. Nils Busch- Petersen, Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbands des Einzelhandels Berlin, versteht das nicht: „Die Bagatellisierung ist nicht fair. Der Schutz des Eigentums unserer Kaufleute unterliegt dem Grundgesetz ebenso wie das Eigentum von Lieschen Müller.“
Weil Lieschen Müller eine gute Kundin ist, druckte der Verband 150.000 Flugblätter und legte sie in Berliner und Brandenburger Geschäften aus. Mit ihnen versucht der Verband, die „Kunden als Partner bei der Bekämpfung des Ladendiebstahls zu gewinnen“. Den Verdacht, die Geschäftsleute wollten auf diese Weise die Kunden zur Denunziation ermutigen, weist der Geschäftsführer weit von sich: „Wir wollen die Kunden nicht als Hilfssheriffs einsetzen.“ Angeblich geht es den Einzelhändlern nur um eine „Sensibilisierung“ potentieller Ladendiebe. Busch-Petersen: „Mir reicht's, wenn Frau Schulze zu Hause zu ihrem Mann sagt: ,Mensch, den Schnaps mußt du doch nicht immer klauen.‘“
Mit mehreren Fragen auf den Flugblättern soll ergründet werden, ob sich die Kunden durch Kameras, Spiegel und Detektive bei ihren Besorgungen gestört fühlen.
Die Ladendiebe haben sich durch die Kameras und Detektive im vergangenen Jahr nicht stören lassen. In Deutschland machten sie 1992 „Schnäppchen“ im Wert von rund vier Milliarden Mark. In Berliner Geschäften werden täglich Waren im Wert von 450.000 Mark geklaut.
Doch der Schaden entsteht nicht nur in den Geschäftszeiten. Nach Ladenschluß machen auch Angestellte lange Finger. „Das ist uns bekannt“, meint Busch-Petersen, „aber darüber wird von den Geschäften der Mantel des Schweigens gehüllt.“ Tatsächlich wollten gestern gegenüber der taz weder Sprecher des KaDeWe noch des Kaufhofs Angaben zur Höhe des Schadens durch eigenes Personal machen.
Die Aktionswoche nun soll die Einzelhändler trimmen, Ladendiebstähle frühzeitig zu verhindern. In einem Workshop beriet gestern ein Kriminaloberrat die Kaufleute. Im heutigen Workshop geht es um die „Abwehr“ von Ladendiebstählen, morgen sollen Spezialisten über neueste technische Möglichkeiten der Warensicherung referieren. Nils Klawitter
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen