: Nicht ganz wie Hawaii
Ins „größte Binnensee-Strandbad Europas“ durfte man zu Ostern kostenlos: Offiziell nur zum Sonnenbaden, aber ganz Unentwegte nahmen ein „Vollbad“ im Wannsee ■ Von Philipp Gessler
Zwei Palmen gibt's auch, fast wie auf Hawaii. Aber Hawaii, sagt Horst Schwabe, „das ist ein anderer Stern“. Wieder hier zu sein, nach dem Urlaub, nachdem er in seiner Altersklasse den Marathon auf der Pazifikinsel gewonnen hat („Clap your hands for Horst Schwabe“), das sei schon eine Umstellung, sagt der 60jährige und blickt auf den Wannsee, der so gar keine Wellen hat.
Aber der rüstige Mann mit den tiefbraunen Beinen will nicht klagen und eher nicht vergleichen, denn das verstieße schon fast gegen seine Berufsehre: Herr Schwabe ist Badebetriebsleiter des Strandbads Wannsee, des flächenmäßig „größten Binnenseestrandbads Europas“, wie er betont. Und dieses Osterwochenende hatte er – früher als die Jahre davor – schon Dienst. Denn der Badestrand am Rande der Hauptstadt hat seit Karfreitag geöffnet, bis zum 16. April bei kostenlosem Eintritt: ein „Ostergeschenk an die Berliner sonnenhungrige Bevölkerung“, wie Schwabe in schönstem Pressemitteilungsdeutsch sagt.
„Die Resonanz ist riesig, alle sind begeistert“, urteilt Schwabe. Seit Karfreitag seien pro Tag etwa 500 Bädegaste hergekommen – allerdings offiziell nur zum „Sonnenbaden“, wie gleich zwei Tafeln am Eingang des Strandbads mahnen. Alle 130 Strandkörbe habe man die letzten Tage schon vermieten können, erzählt Schwabe, und etwa zwei Handvoll Wagemutige hätten sich auch ins kühle Naß getraut: bei 17 Grad Luft- und 16 Grad Wassertemperatur.
Dabei sollten die Leute „ja eigentlich nicht“ so richtig ins Wasser, aber es werde „auch keiner zurückgehalten, wenn er ein Vollbad nehmen will“. Schließlich sei die Wasserqualität derzeit „spitze“. Und übervölkert ist der ein Kilometer lange Strand auch noch nicht. An heißen Wochenenden im Sommer kommen meist 5.000 bis 7.000 Besucher hierher. Den Rekord hält der 1. Juni 1947, als sich etwa 53.000 Berliner am Wasser drängten.
Davon kann Gertrud Brose aus Kreuzberg nicht berichten, aber fast. Sie kommt seit 34 Jahren hierher, ist „Stammgast mit Stammplatz“, links vom Betonpfad zum Siebenmeterturm. Als die Mauer noch stand, seien viel mehr Leute hier gewesen, erzählt die 68jährige, die sich oben ohne bräunt. Da seien ihr Mann und sie sogar schon morgens um 7 Uhr gekommen, um sich Strandkörbe zu sichern. Jetzt sei ihr das zu heiß, denn die Sonne sei „aggressiver geworden“ in den letzten Jahren. Wenn es das Wetter erlaubt, ist sie dennoch jeden Tag hier, sagt sie mit Blick auf die Segelboote auf dem Wasser: „Welche Großstadt hat so was?“ Schade nur, daß sie sich jetzt nicht mehr so lange einfach in den Sand legen könne – „die Knochen“.
Diese Sorgen hat Leila nicht. Die Siebenjährige ist eine der wenigen, die überhaupt ins Wasser gehen. Es sei nicht so warm, sagt sie – dann schweigt die Wagemutige und hüllt sich ins Handtuch, mit dem die Mutter sie umfängt. Die zehnjährige Lisa aus Wilmersdorf ist da gesprächiger. Sie buddelt etwas Burgähnliches am Wasserrand in den märkischen Sand, eine Stunde manscht sie schon rum. In San Francisco und in Florida habe es ihr doch besser gefallen, erzählt das Mädchen mit der marineblauen Baseballkappe, da sei das Meer wärmer gewesen. Hier sei ihr das Wasser „viel zu kalt“: „Und ich friere auch ganz leicht.“ Außerdem wollten die Eltern nicht, daß sie ins Wasser geht, denn da könnte sie sich ja eine Lungenentzündung holen, berichtet sie, während ihr Bruder Nico mit einer Schippe auf die Burg hämmert.
Thomas Viehmann aus Mitte, Vater der ein- und vierjährigen Jungen Carlo und Linus, findet es auf jeden Fall „phantastisch“, daß man „so früh und kostenlos“ ins Strandbad kann. Er buddelt ein Loch, damit Carlo es wieder zuschütten kann, erklärt er. Das ist sein Job hier, aber er findet Spaß daran. So hat jeder seine Freuden am Wannsee, auch wenn's hier nicht ganz so wie auf Hawaii ist.
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