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■ Hongkong: Weisheiten aus einer gutgehenden GarkücheNicht für lau

Wissen Sie, was Günter Kochansky und Dao Lao Pi gemeinsam haben? Nein, wissen Sie natürlich nicht. Sie kennen ja, wenn überhaupt, nur Kochansky. Und das auch nur, wenn Sie mal in Dortmund-Brechten in seiner Pommesbude waren. Dao Lao Pi aber, den kennen Sie garantiert nicht. Müssen Sie auch nicht. Dao Lao Pi ist nämlich nicht bekannt, geschweige denn berühmt. Berühmt wie, sagen wir mal, sein Kollege Konfuzius. Jawohl, Kollege. Dao ist nämlich auch Philosoph, aber erstens ein zeitgenössischer und zweitens nur nebenbei. Und zwar im Hongkonger Stadtteil Kowloon, wo er eine gutgehende Garküche betreibt. Das ist so was Ähnliches wie Kochanskys Pommesbude, nur daß der halt Schnitzelfladen, Currywürste und Kartoffelstäbchen feilbietet, Dao dagegen Entenfüße, Schlickwürmer und Krötenschenkel. Aber nicht nur die erdteilübergreifende Fritteusenachse Dortmund-Brechten – Honkong-Kowloon ist es, die Kochansky und Dao verbindet, sondern eben auch das Konfuziusianische, also die satt triefende Lebensweisheit, die beide ihrer jeweiligen Schnellrestaurant-Kundschaft quasi kostenlos mitliefern. „Für lau“, wie Kochansky sagen würde, was im Hongkong-Chinesen-Idiom Daos übrigens ganz ähnlich, nämlich „fy lau“ genannt wird.

„Das gibt's nich' für lau“, heißt etwa die von Kochansky überlieferte populärphilosophische These, mit der er 1989 seine Meinung zur deutschen Wiedervereinigung orakelhaft zusammenfaßte. „Mehr sag' ich dazu nicht“, sagte er dann noch, und noch heute sagt er jedem, der ihm etwas über die schwerwiegenden finanziellen Belastungen der deutschen Einheit vorjammert: „Und ich hab's noch gesagt – das gibt's nicht für lau! Hab' ich's gesagt oder nicht!?“

Ja sicher hat Kochansky es gesagt, was zwar am Problem selbst wenig änderte, aber heute immerhin eine logische Erklärung seiner nicht unerheblichen Preissteigerungen für Pommes und Bratwurst bietet. „Da ist nicht nur Ketchup und Mayonnaise drauf, da ist auch Aufbau Ost mit drin!“

Ein Problem, das nun auch ganz deutlich Dao Lao Pi in Hongkong auf sich und seine Kundschaft zukommen sieht. Erst gestern morgen kam es vor Daos Garküche in Kowloon zu einem Dialog zwischen zwei Stammkunden, die sich ausgesprochen euphorisch über die China-Hongkong-Wiedervereinigung freuten. Jetzt wachse endlich zusammen, was zusammengehöre, der Reichtum Hongkongs werde durch gewaltigen Finanztransfer in den armen Norden auch dort die Wirtschaft ankurbeln. Blühende Landschaften würden entstehen und den Brüdern und Schwestern im vergleichsweise armen China materiellen Wohlstand bringen.

Dao Lao Pi aber zwirbelte derweil mit der Rechten an seinem Konfuzius-Bärtchen, warf mit der Linken ein paar panierte Schildkrötenzungen in den Wok und düsterte mit bedächtig-dunkler Stimme eine weise Warnung in den Hongkonger Morgen: „Au au. Ssao kalau da hoha fy lau.“ Zu deutsch: „Au au, wenn ihr euch da mal nicht vertut. Das gibt's nicht umsonst!“ Oder, wie Günter Kochansky zu sagen pflegt: „Für lau!“ Fritz Eckenga

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