: New-Age-Psychoanalyse
■ Gastspiel des Tanztheaters Münster mit "Stella" in den Kammerspielen
in den Kammerspielen
Stella, Goethes heimlicher Traum von freier Liebe und männlicher Ungebundenheit, erhält in der Fassung von Brigitta Trommler und Anne Rose Katz, die sie für das Münsteraner Tanztheater erarbeitet haben, eine ganz neue Wendung. Ihr Augenmerk richtet sich auf die Rolle des Kindes Lucie und im weiteren auf die verdrängte Kindlichkeit der Protagonisten Fernando, Cäcilie und Stella. Fernando (Thomas Langkau) ist ein selbstverliebter Softie, der im Spiel mit der Liebe der drei Frauen (Diana Sowter, Dörthe Stöß und Patricia Schmid) seine Gewaltphantasien offenbart. Deren Hörigkeit an den einzigen Mann fordert Selbstaufgabe und Tunnelblick und verhindert einen echten Kontakt untereinander. Am Ende entdecken die erwachsenen Frauen, daß nicht Emanzipation vom männlichen Herrschaftsspiel sondern Teilung seiner Zuneigung die Lösung der Trauer ist. Dadurch überhöht sich ihre Fixierung noch einmal, wodurch Lucie ausgestoßen wird. Der Mann bleibt als Günstling des Schicksals erfolgreich.
In ihrer psychoanalysierenden Sicht verengen Trommler und Katz leider das komplexe Drama auf die etwas einfache Zeichnung unverarbeiteter Kindlichkeit. Auch die Tanzbewegungen zu der sehr geschmacksabhängigen New Age-Musik von Matthias Thurow können auf der kleinen Bühne der Kammerspiele nicht richtig ausgreifen. Doch unabhängig von der etwas zweifelhaften Zeichnung, schafft Brigitta Trommler viele schöne Momente und sparsame, eindrucks-
1volle Bilder, die auf einer geräumigeren Bühne auch noch mehr Spannung hätten entwickeln können.
Leider war das Gastspiel nur sehr schlecht besucht, so daß sich die Frage stellt, ob die Kammerspiele nicht doch ein etwas eindeutigeres Programm entwickeln sollten, damit das Publikum wenigstens erahnen kann, was es erwartet. tlb
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