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Archiv-Artikel

Neuwagen wird 500 Euro teurer

Unter der beschlossenen Mehrwertsteuererhöhung werden alle Menschen leiden – aber nicht in allen Branchen wird sie auch zu höheren Preisen führen

„Letztlich muss sich am Markt herausstellen, welche Preiserhöhungen sich durchsetzen lassen“

VON NICOLA LIEBERT

Jetzt gibt es für Verbraucher kein Entkommen mehr: Die Mehrwertsteuer wird 2007 von 16 auf 19 Prozent erhöht. Bahn-Vorstand Otto Wiesheu hat schon mal eine Anhebung der Ticketpreise angedroht. Und auch Ford kündigte an, die höheren Steuern auf den Preis draufzuschlagen. Bei einem Neuwagen macht das schnell mal 500 Euro aus.

Die Mehrwertsteuer, so steht es auch in Volkswirtschaftslehrbüchern, trägt der Endverbraucher. Was jetzt noch für 100 Euro über die Ladentheke geht, müsste ab Januar 102,59 Euro kosten – jedenfalls wenn die höheren Steuern vollständig auf die Verbraucher abgewälzt werden. Aber geht das überhaupt? Schließlich ist die Konkurrenz im deutschen Einzelhandel, in der Gastronomie und zunehmend auch im Handwerk brutal, und Geiz ist bekanntlich geil.

Der Sprecher des Hauptverbands des Deutschen Einzelhandels, Hubertus Pellengahr, hält Preiserhöhungen trotzdem für unausweichlich: „Die Mehrwertsteuererhöhung übersteigt die knapp kalkulierten Gewinnspannen im Einzelhandel, und deshalb können die Händler sie nicht allein tragen. Die Preiserhöhung ist lediglich eine Frage des Zeitpunkts.“ Sie könnte sich sogar noch über das Jahr 2007 hinaus hinziehen, und bis dahin drücken die höheren Steuern auf die Gewinne.

Wie sie genau mit dem Problem umgehen werden, dazu halten sich die meisten Unternehmen bedeckt. Möglich wäre beispielsweise, die Preise schon jetzt langsam anzuheben, um einen Preisschock im nächsten Jahr zu vermeiden. Oder mit den Herstellern zu verhandeln, ob die nicht wenigstens einen Teil der Preiserhöhung aufzufangen bereit sind. Denn auch sie haben kein Interesse an einem Einbruch der Nachfrage. Keinesfalls könne man aber jetzt schon sagen: Diese Produkte werden teurer – und jene nicht. „Denn letztlich muss sich am Markt herausstellen, welche Preiserhöhungen sich durchsetzen lassen“, sagt Pellengahr.

Eine gewisse Tendenz meint Kai Hudetz dennoch ausmachen zu können. Der stellvertretende Geschäftsführer des Instituts für Handelsforschung an der Universität Köln geht davon aus, dass vor allem der Lebensmittelhandel notgedrungen vorsichtig sein wird. Zu mörderisch ist hier die Konkurrenz. Besonders schwierig dürfte die Weitergabe der Steuererhöhung bei den so genannten Schwellenpreisen sein. Hudetz nennt ein Beispiel: „Wenn ein Becher Joghurt immer zu 49 Cent angeboten wurde, wird der Supermarkt den Preis jetzt nicht auf 51 Cent setzen. Und bis zur nächsten Schwelle, also auf 59 Cent, kann er nicht gehen, weil dann die Kunden auf den nächsten Discounter um die Ecke ausweichen.“

Was können die Handelsketten also tun, um nicht in die Verlustzone abzurutschen? Antwort des Handelsforschers: Sie müssen die Preise da erhöhen, wo die Kunden am ehesten mitspielen – etwa bei Kleidung, die sich eher über Marken als über Preise definiert. Oder bei hochwertigen Produkten wie Biolebensmitteln, wo Kunden Qualität statt Schnäppchen erwarten.

Diese Strategie steht den Handwerkern nicht unbedingt offen. „Durch die Mehrwertsteuererhöhung verteuert sich die Handwerkerstunde um 1 Euro, während die im Gegenzug versprochene Entlastung bei den Lohnzusatzkosten gerade mal 20 Cent beträgt“, klagt Alexander Legowski vom Zentralverband des deutschen Handwerks. Die höheren Steuer an die Kunden weiterzugeben werde schwierig.

Handwerker weisen auf Kostenvoranschlägen und Rechnungen die Mehrwertsteuer, anders als Supermärkte, getrennt aus. „Der Kunde sieht also von vornherein, was er an Mehrwertsteuern zahlen muss – und was er sparen würde, wenn er stattdessen Schwarzarbeiter beschäftigt“, erklärt Legowski. Gerade größere Handwerksfirmen, die anders als Einmannbetriebe hohe Lohnzusatzkosten für ihre Angestellten zu tragen haben, gerieten dadurch noch mehr unter Druck. Der Stellenabbau werde sich beschleunigen, und viele Betriebe dürften ganz vom Markt verschwinden. Und so könnte die Mehrwertsteuererhöhung nicht nur für Verbraucher unangenehm sein, sondern auch noch Jobs vernichten.