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Neun Jahre wegen einer Fehldiagnose

■ Zwangspsychiatrisierter bekommt 500.000 Mark Schmerzensgeld

Marburg (taz) – Neun Jahre seines Lebens verbrachte Klaus-Peter Löser hinter Gittern – als Zwangspsychiatrisierter. Gestern sprach das Marburger Landgericht dem heute 42jährigen das höchste Schmerzensgeld zu, das jemals einem einzelnen in Deutschland zugebilligt wurde: Eine halbe Million muß der Landeswohlfahrtsverband (LWV) Hessen an Löser zahlen. Der Krankenhausträger muß außerdem alle Kosten begleichen, die aus zukünftig auftretenden Folgeschäden erwachsen.

Vier Jahre lang hatte Löser auf dem Gerichtsweg nicht nur um Schmerzensgeld, sondern auch um seine Rehabilitierung gekämpft. Aufgrund der (Fehl-)Diagnose „schwachsinnig“ war er 1972 in das Psychiatrische Krankenhaus Marburg-Cappel eingesperrt worden. Das gestrige Urteil dokumentiert nicht nur die falsche Diagnose einzelner Ärzte, sondern auch die Realität in einer psychiatrischen Klinik: Mit 2,3 Kilogramm wurde Löser während der neun Jahre die höchste Neuroleptikadosis verabreicht, die je in Deutschland nachgewiesen wurde.

Lösers Einweisung in die Psychiatrie wurde nach Ansicht des Gerichts grob fahrlässig durch die Gutachter des LWV verschuldet. Zwar leide er an den Spätfolgen einer frühkindlichen Hirnschädigung, doch habe weder Fremd- noch Eigengefährdung vorgelegen, die Voraussetzung für eine Zwangseinweisung ist. Bei der Höhe des Schmerzensgeldes wollte die Kammer den Vorstellungen von Lösers Anwalt Peter Hauck-Scholz nicht folgen. Der hatte 3,7 Millionen verlangt. Dabei orientierte sich Hauck-Scholz an einem Urteil des Landgerichts Berlin, das 1985 für neun Tage Zwangspsychiatrisierung 10.000 Mark Schadenersatz festgelegt hatte. Abgewiesen wurde auch Lösers Klage gegen das Land Hessen als Dienstherrn der Richter, die 1976 seine weitere Unterbringung in der Psychiatrie angeordnet hatten. Franz-Josef Hanke Seite 4

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