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Neulich, Linie 6

Geschehen in Bremen, am Sonnabend, dem 15.1.94 um 14.30 Uhr, Straßenbahn Linie 6, Am Brill: Beim Einstieg merke ich plötzlich, daß irgend etwas mit meiner seitlich hängenden Handtasche nicht stimmt.

Blitzartig fasse ich danach, merke, daß das Portemonnaie fehlt, drehe mich auf dem Absatz um, sehe zwei Männer wegschlendern, folge ihnen, klopfe ihnen auf die Schulter und sage ruhig: „Das Portemonnaie, bitte!“ Ich schaue in 2 x 2 große dunkle Augen. Der eine der beiden Männer holt zögernd, verlegen mein Portemonnaie aus seiner Tasche, gibt es mir, strahlt wie ein wirklich Schenkender...!

„Danke, wie schön!“ flüstere ich, drehe mich um, sehe die Linie 6 noch stehen, springe rein, merke erst jetzt, daß -zig Augen lauernd auf das Geschehen gerichtet sind.

Ob ich denn gar keine Angst gehabt hätte, fragt eine ältere Frau neben mir. Angst wovor? Angst bekomme ich erst jetzt bei den Kommentaren, dem Ruf nach dem Polizeistaat, der Stigmatisierung des Ausländischen, den „Zeugenaussagen“, die sogar ein Messer gesehen haben wollen - so weit weg von der Wahrheit.

Ich bin sprachlos. Die Brutalität der Worte läßt mich frieren. Über das Geschenk aber freue ich mich besonders, hat es doch wahrhaft menschliche Beziehung nicht entstellt. Barbara Matuschewski

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