: Neues SPD-Konzept zur Abrüstung
■ Nach einem Wahlsieg will die SPD schneller „abrüsten“ / Marine abschaffen und Heer drastisch reduzieren / Wehrpflicht soll bleiben
Frankfurt (taz) - Das Heer verringern, die Marine abschaffen, aber auf jeden Fall die Wehrpflicht beibehalten
-das sind die Eckpunkte des gestern in Frankfurt vorgestellten SPD-Abrüstungskonzeptes „Frieden 2000“. Es soll der bundesrepublikanische Beitrag für eine friedenspolitische Neuordnung Europas werden - falls die SPD die Wahlen gewinnt.
Kernstück des Entwurfs ist ein Dreistufenplan zur Reduzierung der konventionellen Streitkräfte der Bundesrepublik. Die Etappen erläuterte MdB Heidemarie Wieczorek-Zeul wie folgt: In einer ersten Phase bis 1993 soll die Bundeswehr um 100.000 Soldaten verringert und in einer zweiten Phase - bis 1995 - endgültig auf eine „Friedensstärke“ von insgesamt 150.000 Soldaten reduziert werden. Auf die Marinestreitkräfte könne dabei nach Auffassung der SPD vollkommen verzichtet werden, da die Aufklärungsarbeit auf See schon heute Sache der Luftwaffe sei.
Der Programmentwurf sieht auch die Verringerung der US -amerikanischen Streitkräfte auf bundesdeutschem Boden auf rund 80.000 Soldaten bis zum Jahre 1995 und die „ersatzlose Auflösung ihrer Basen“ vor. Bis 1995 will die SPD sämtliche taktischen Nuklearsysteme in Europa „ersatzlos vernichtet“ sehen. Auch die britischen und französischen Nuklearsysteme sollen in den europäischen Abrüstungsprozeß einbezogen werden.
Eine SPD in Regierungsverantwortung werde darüber hinaus aus den aktuellen Rüstungsprogrammen der Nato und der Bundeswehr aussteigen. Wieczorek-Zeul wörtlich: „Mit einer SPD-geführten Bundesregierung wird es keinen Jäger 90 geben. Auch die Panzer-, Kampfhubschrauber-, U-Boot- und Fregattenprogramme der amtierenden Bundesregierung werden wir kippen.“ Daß das Truppenreduzierungsprogramm der SPD die Frage nach dem Sinn der Beibehaltung der allgemeinen Wehrpflicht provoziere, stellten die Autorinnen des Entwurfs, Wieczorek-Zeul und Uta Zapf vom südhessischen SPD -Unterbezirk, nicht in Abrede. Dennoch votiere die SPD „aus historischen Erfahrungen heraus“ - für die Beibehaltung der Wehrpflicht, die dann allerdings „Dienstpflicht“ heißen müsse. Den „Dienstpflichtigen“ müsse die freie Wahl zwischen einer Dienstverpflichtung für die Bundeswehr, für einen sozialen Ersatzdienst oder für den Dienst in einem Entwicklungsland gestattet werden.
Endziel der neuen SPD-Entspannungspolitik ist der Abschluß des KSZE-Prozesses mit einer „Europäischen Schlußakte“, in der die gemeinsame europäische Friedensordung verbindlich festgeschrieben werden soll. Mit den Unterschriften der USA, der Sowjetunion, Frankreichs und Großbritanniens unter diese Schlußakte würden auch die bisherigen Vorrechte der vier Mächte in Deutschland und in Berlin abgelöst. Den Zeithorizont für die Herstellung der „strukturellen Nichtangriffsfähigkeit in Europa“ umriß Uta Zapf: Bis zum Ende dieses Jahrhunderts sollte die „Europäische Schlußakte“ von allen europäischen Staaten und den USA abgezeichnet sein.
Klaus-Peter Klingelschmitt
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