Neues Hochhaus an der Jannowitzbrücke: Höher und sozialer
An der Jannowitzbrücke soll ein 115 Meter hoher Turm entstehen. Der Bezirk will künftig mehr Einfluss. Das Hochhausleitbild kann nur bedingt helfen.
„Gemeinsam mit dem Bezirk Berlin-Mitte und dem Berliner Senat haben wir begonnen, das bestehende Konzept zu überarbeiten, um es an moderne städtebauliche Anforderungen – wie Mobilität, Nutzungsmischung und Nachhaltigkeit – anzupassen“, kündigt Fuchs an.
Eine solche Anpassung ist allerdings schon deshalb zwingend, weil der bisherige Bebauungsplan aus dem Jahr 2012 an der Stelle ein reines Bürohaus vorgesehen hat. Inzwischen hat sich der Senat allerdings ein Hochhausleitbild verpasst – und das sieht unter anderem vor, dass ein Drittel der Fläche keine Büronutzung sein darf.
Mittlerweile hat HB Reavis seinen Central Tower nicht nur im Bezirk Mitte vorgestellt, sondern auch beim Berliner Baukollegium. Die derzeitige Planung sehe dabei vor, dass die nicht als Büroraum genutzten Flächen vor allem im Sockelbereich, also den unteren Geschossen vermietet werden, sagt Mittes Baustadtrat Ephraim Gothe (SPD). Dazu gehören unter anderem Mikroappartments für Studierende, auch eine Klinik ist im Gespräch. Vermietet werden sollen die Flächen für 30 Euro pro Quadratmeter.
Vorbild ist München
Gothe ist das nicht genug. Er fordert, auch über die Bodenpreise und die Gewinne zu reden, die sich durch die Baugenehmigung durch den Bezirk erhöhen würden. „Warum soll die Allgemeinheit von dem Gewinn, den der Investor dadurch bekommt, nicht auch profitieren“, fragt Gothe. „Warum soll der Investor nicht zwei Drittel seines Planungsgewinns in soziale Infrastruktur investieren?“ Gothe verweist dabei auf München, wo sich eine solche Zwei-Drittel-Regelung bereits bewährt habe.
Mit seiner Forderung geht Gothe über das hinaus, was in Berlin derzeit Praxis ist. Bei großen Wohnungsbauvorhaben müssen Investoren lediglich ein Drittel Sozialwohnungen bauen. So sieht es das sogenannte Berliner Modell der kooperativen Baulandentwicklung vor, das der rot-schwarze Senat 2014 beschlossen hat. Voraussetzung dafür ist ein Bebauungsplan. Baugenehmigungen ohne B-Plan sind davon nicht betroffen.
Derzeit diskutiert der Senat darüber, die Quote der kooperativen Baulandentwicklung von 30 auf 50 Prozent zu erhöhen. Bei Hochhäusern würde das allerdings nicht automatisch dazu führen, dass mehr Wohnungen gebaut werden. Ein Beispiel dafür ist der „Amazon Tower“ in Friedrichshain. „Das ist ein reiner Büroturm“, sagt Florian Schmidt (Grüne), Baustadt von Friedrichshain-Kreuzberg. Wäre das Hochhausleitbild bei seiner Genehmigung bereits gültig gewesen, hätte der Investor auch ein Ärztehaus darin unterbringen können. Auch damit wäre der Vereinbarung Rechnung getragen, 30 Prozent der Flächen nicht mit Büros zu nutzen.
Wie Gothe plädiert auch Schmidt dafür, die Erteilung einer Baugenehmigung künftig an ein Mehr an Wohnungen oder sozialer Infrastruktur zu knüpfen. „Natürlich muss es sich für den Investor rechnen“, sagt Schmidt. Sonst sei die Gefahr groß, dass sich der Investor an den Senat wende und der das Genehmigungsverfahren an sich ziehe. „Wenn man sich aber einig ist, dann kann man bei den Verhandlungen sagen: Schau mal, das sind die Regeln. Wenn du die nicht einhältst, gibt es keinen Bebauungsplan.“
Das im Februar 2020 vom Senat verabschiedete Hochhausleitbild sei für solche Verhandlungen aber nicht das passende Instrument, betont Martin Pallgen, Sprecher von Bausenator Christian Gaebler (SPD). Pallgen spricht lieber von einer „Selbstverpflichtung im Umgang mit Hochhausvorhaben im Land Berlin“.
Diese Selbstverpflichtung gelte vor allem für „Qualitätsvorgaben, Planungsgrundsätze und Prozessvorgaben“. Die rechtliche Umsetzung oder Genehmigung von Hochhausvorhaben, so Pallgen, erfolge dann auf der Grundlage des Baugesetzbuches, der Bauordnung oder anderer rechtlicher Regelungen wie dem Denkmalschutz.
Das war auch beim geplanten Central Tower von HB Reavis der Fall. Vor allem der Denkmalschutz brachte bei der Sitzung des Baukollegiums am vergangenen Montag seine Bedenken vor. Von einer „ganz großen Konkurrenz“ für den Fernsehturm auf bestimmten Sichtachsen war die Rede. Berlins Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt wertete die angestrebte Mischnutzung statt einer reinen Büronutzung deshalb als „deutliche Bereicherung“. Aber sie sagte auch: „Wir hängen einfach an der Höhe.“
Ephraim Gothe stimmt ihr zu. „Wir haben zwischen Alexanderplatz viele Hochhäuser mit 60 bis 70 Metern“, sagt Gothe der taz. Er könne sich deshalb 75 bis 85 Meter vorstellen, aber keine 115. Diese seien übrigens wegen der lukrativen Nutzungen im Sockel für den Investor auch nicht wirtschaftlich notwendig.
Mehr Wohnungen kann er allerdings nicht erzwingen. Das sieht das Hochhausleitbild nicht vor. Welche Nutzung sie in den 30 Prozent unterbringen, die keine Büros sein dürfen, ist den Investoren selbst überlassen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen