Neues Buch von Naomi Klein: Fridays brauchen Nachwuchs
Autorin Naomi Klein schrieb „Wie wir alles ändern können und die Zukunft retten“. Sie richtet sich an diejenigen, die noch nicht fürs Klima protestieren.
Die Existenz der Klimaliste von Baden-Württemberg hat sich bis nach Nordamerika herumgesprochen. In ihrem neuen Buch „How to change everything – Wie wir alles ändern können und die Zukunft retten“ ruft die kanadische Autorin Naomi Klein dazu auf, mehr solche Listen zu gründen. Sie könnten dem Anliegen der Klimaschutzbewegung Fridays for Future Auftrieb geben, meint sie.
Bei der Landtagswahl im vergangenen März holte die Klimaliste fast 43.000 Stimmen. Zuvor hatten die Grünen von Ministerpräsident Winfried Kretschmann Angst, weil die neue Konkurrenz den Wahlsieg zu bedrohen schien. Mit nur 0,9 Prozent der Stimmen bekam die Klimaliste zwar weniger als gedacht, kann es bei der Bundestagswahl im September aber noch mal probieren. Davon, wie viele Wähler:innen sie den Grünen wegnimmt, hängt auch ab, mit welcher Kraft die Ökopartei in der nächsten Bundesregierung Klimapolitik machen kann.
Für solche Zwischentöne ist in Kleins Werk kein Platz. Sie hat ein Agitations- und Lehrbuch geschrieben, das sich an junge Leute richtet, die bei Fridays for Future bisher nicht aktiv sind.
Mit vielen kleinen Porträts über Aktivist:innen in aller Welt, Minireportagen über Kämpfe gegen Ölpipelines und Zeitraffer-Darstellungen der Industriegesellschaft seit dem 18. Jahrhundert will Klein ihre Leser:innen von der Notwendigkeit des Kampfes gegen Klimawandel, globale Ungerechtigkeit und Rassismus überzeugen. „Willst du dich anschließen?“, fragt sie suggestiv.
„No Logo“ machte sie 2000 berühmt
Im Jahr 2000 wurde Naomi Klein mit ihrem konzernkritischen Buch „No Logo“ zu einer Ikone der globalisierungskritischen Bewegung. Es folgten mehrere Veröffentlichungen, die sich mit den Folgen von Kapitalismus und Neoliberalismus auseinandersetzten. Kleins Buch „Schocktherapie“ von 2007 fand Ökonom und Nobelpreisträger Joseph Stiglitz an manchen Stellen „simplifizierend“. Mittlerweile wirkt Klein als intellektuelle Mitstreiterin der linken US-Demokratin Alexandria Ocasio-Cortez.
Naomi Klein: „How to change everything. Wie wir alles ändern können und die Zukunft retten“. Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2021, 256 Seiten, 18 Euro
„How to change everything“ schlägt einen weiten Bogen. Die Autorin beschreibt die zerstörerische und ungerechte Wirtschaftsweise seit der Industrialisierung. Sie fordert, dass die reichen Länder ihre „Klimaschulden“ bei den ärmeren begleichen sollten, sieht den Wohlfahrtsstaat als Zukunftsmodell, plädiert dafür, weniger zu konsumieren und zu arbeiten.
Vieles davon kann man für richtig oder diskussionswürdig halten. Komplettentwürfe bergen jedoch die Gefahr ideologischer Verkürzung. Klein schlägt eine schmale Schneise durch den Wald der Weltgeschichte. Die Widersprüchlichkeiten und Geheimnisse rechts und links des Weges bleiben unerforscht.
„Natur als Maschine“
Betrachten lässt sich dieses Verfahren in den Kapiteln über die Dampfmaschine. Ihr Entwickler James Watt fungiert quasi als Hauptschuldiger des Klimawandels. Hinzu tritt eine Darstellung der Aufklärung, die diese auf eine Interpretation der „Natur als Maschine“ verkürzt. Dann werden die Verbraucher:innen erfunden, die nur konsumieren, um zu vertilgen. Kein Wort über die Fortschrittsleistung einer modernen Gesellschaft, deren Massenproduktion die Voraussetzungen für den Wohlstand von Milliarden Menschen schuf.
Im „Werkzeugkasten für Aktivisten“ beschreibt Klein dann, was junge Leute tun können, um ihre Lehrer:innen zu bewegen, im Unterricht die Klimakatastrophe zu thematisieren, wie sie Schulstreiks oder Klimaschutzprojekte organisieren sollen.
Die 51-jährige Klein „erklärt einer jungen Generation“, was Sache ist. Ob die diese Erklärung wirklich braucht?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken
Syrische Geflüchtete in Deutschland
Asylrecht und Ordnungsrufe
Paragraf 218 im Rechtsausschuss
CDU gegen Selbstbestimmung von Frauen
Doku über deutsche Entertainer-Ikone
Das deutsche Trauma weggelacht
Sednaya Gefängnis in Syrien
Sednaya, Syriens schlimmste Folterstätte
Schwarz-Grün als Option nach der Wahl
Söder, sei still!