Neuer Verfassungsrichter Harbarth: Nachfolger von Kirchhof und Voßkuhle
Ein Wirtschaftsanwalt und CDU-Politiker soll bald das Bundesverfassungsgericht repräsentieren. Die Wahl wird noch im November erfolgen.
Das Bundesverfassungsgericht definiert, wie das Grundgesetz auszulegen ist und sorgt dafür, dass diese Vorgaben eingehalten werden. Es ist das Verfassungsorgan, dem die Deutschen am meisten vertrauen. Dass nun ein ausgewiesener Parteipolitiker Präsident des Bundesverfassungsgerichts werden soll, könnte zu Diskussionen führen.
Harbarth stammt aus Heidelberg und ist von Beruf Wirtschaftsanwalt. Seine Kanzlei SZA vertritt zum Beispiel VW in der Diesel-Affäre. Seit 2009 ist er Bundestagsabgeordneter, hat aber nebenher immer auch als Anwalt gearbeitet. Dabei muss er seine Einkünfte zwar nicht exakt offenlegen, sie liegen jedoch in Stufe 10 (über 250.000 Euro pro Jahr). Als Verfassungsrichter wird er wohl erhebliche Einkommenseinbußen hinnehmen müssen.
Künftig wird Harbarth dem Ersten Senat des Bundesverfassungsgerichts angehören. Dieser Senat ist auch für Datenschutz zuständig und hat schon zahlreiche Sicherheitsgesetze korrigiert, etwa zur Rasterfahndung und zur Vorratsdatenspeicherung. Harbarth ist Befürworter der Vorratsdatenspeicherung und sagte etwa im April diesen Jahres: „Wir brauchen dringend funktionierende und rechtlich umsetzbare Speicherfristen, damit wir Kinderschändern das Handwerk legen können.“
Die Wahl von Harbarth wird die stabile linksliberale Mehrheit am Ersten Senat nicht verändern. Dem Senat gehören neben drei von der SPD vorgeschlagenen Richtern auch die RechtsprofessorInnen Susanne Baer (von den Grünen nominiert) und Andreas Paulus (FDP-Vorschlag) an. Harbarth kann als Senatsvorsitzender entweder Minderheitsvoten schreiben oder sich wie seine Vorgängänger Ferdinand Kirchhof und Hans-Jürgen Papier auf die bürgerrechtlich orientierte Grundlinie einlassen.
Ein guter Redner
Turnusgemäß dürfte Harbarth 2020 Präsident des Bundesverfassungsgerichts werden, wenn der jetzige Präsident Andreas Voßkuhle (von der SPD nominiert) nach 12 jähriger Amtszeit ausscheidet. Harbarth, der erst 46 Jahre alt ist, kann dann noch zehn Jahre das Gericht in der Öffentlichkeit repräsentieren. Harbarth ist trotz seines süddeutschen Akzents ein guter Redner.
Er folgt auf Ferdinand Kirchhof, dessen Amtszeit schon Ende Juni abgelaufen war. Doch die Parteien konnten sich nicht auf einen Nachfolger einigen. Interne Probleme hatte vor allem die CDU/CSU, die das Vorschlagsrecht für diesen Posten innehat. Ursprünglich sollte Günter Krings, Staatssekretär im Innenministerium, nominiert werden. Doch nach der Abwahl von Volker Kauder als Fraktionsvorsitzender der Union verlor Krings deutlich an Unterstüzung. Auch die Grünen sprachen sich gegen einen Wechsel aus der Regierung nach Karlsruhe aus.
Die VerfassungsrichterInnen werden im Bundestag oder im Bundesrat mit Zwei-Drittel-Mehrheit gewählt. Harbarths Wahl wird in der Sitzungswoche ab 19. November im Bundestag erfolgen. Weil CDU/CSU und SPD auch gemeinsam nicht mehr über die Zwei-Drittel-Mehrheit verfügen, musste auch die FDP bei den Verhandlungen ins Boot geholt werden.
Voraussichtlich am 22. November wird Harbarth zudem im Bundesrat zum Senatsvorsitzenden und Vizepräsidenten des Bundesverfassungsgerichts gewählt. Da die Grünen derzeit an neun Landesregierungen beteiligt sind und somit in der Länderkammer eine Vetoposition innehaben, mussten auch sie der Personalie Harbarth vorab zustimmen. Die Amtszeit Harbarths beginnt dann, sobald ihm Bundespräsdient Frank-Walter Steinmeier die Ernennungsurkunde überreicht hat.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste