: Neuer Start für START in Genf
■ Kompromißbereit zeigte sich der sowjetische Delegationsleiter für die Verhandlungen mit den USA über die Abrüstung bei strategischen Atomwaffen / SDI und ABM Konfliktpunkte / Neue US–Militärstrategie empfohlen
Aus Genf Andreas Zumach
Ein Vertrag über die 50prozentige Reduzierung der strategischen Offensivwaffen „unter der Bedingung eines Nicht–Rückzuges vom Vertrag über die Begrenzung der Raketenabwehr (ABM)“ sei das Ziel der morgen in Genf beginnenden START–Verhandlungen zwischen der UdSSR und der USA. Das sagte der sowjetische Delegationsleiter Alexej Obuchow bei seiner Ankunft auf dem Genfer Flughafen am Dienstag. Eine Antwort auf die entscheidende Frage, ob die UdSSR der USA im Rahmen eines Vertrages SDI–Tests im Weltraum zugestehen werden und möglicherweise eine gemeinsame Liste von Komponenten vereinbaren, die entwickelt und getestet werden dürfen, verweigerte Obuchow. Auch bezüglich der weiteren Gültigkeit des ABM–Vertrages als „Voraussetzung für einen START–Vertrag“ vermied er die bisherige sowjetische Formulierung „in der engen Interpretation von 1972“, und sprach nur von dem Vertrag, „der 1972 abgeschlossen wurde“. Obuchow zeigte sich optimistisch, daß der angestrebte Vertrag bis zu einem vierten Gipfeltreffen Gorbatschow/Reagan „in der ersten Hälfte dieses Jahres“ in Moskau unterschriftsreif werde. Die US– Delegation trifft erst heute in Genf ein. Grundlage der Beratungen der beiden Delegationen ist ein erster gemeinsamer Vertragsentwurf aus dem Herbst 87, der allerdings laut Obuchow noch „viele Klammern mit unterschiedlichen Positionen“ enthält. Einigkeit besteht über die Reduzierung der 13.873 amerikanischen und 11.044 so wjetischen Sprengköpfe auf jeweils 6.000. Umstritten ist nach wie vor, wieviele davon auf Land und wieviele auf See stationiert bleiben sollen. Neue Militärstrategie Washington (dpa) - Die USA stünden vor einer verteidigungspolitischen Herausforderung, die eine vielseitige, nicht allein auf nukleare Abschreckung gestützte Strategie verlange und auf das Heranwachsen neuer Militär– und Atommächte eingehen müsse, meint eine Expertenkommission in einem Bericht, der gestern in Washington an US–Präsident Reagan übergeben wurde. Die Kommission, der unter anderen die früheren Sicherheitsberater Kissinger, Brzezinski und Clark angehören, warnt davor, sich auf den Extremfall des Atomkriegs zu konzentrieren. Die Strategie der vergangenen 40 Jahre müsse „den Realitäten der Gegenwart angepaßt“ werden. Fast alle bewaffneten Konflikte in diesem Zeitraum hätten sich in Ländern der Dritten Welt ereignet. Neue Militärmächte wie China und Japan bildeten sich, kleinere Länder kämen in die Lage, Arsenale von Atombomben aufbauen zu können. Die Kommission befürwortet weiter, militärische Mittel und Pläne für den Fall begrenzter nicht–nuklearer Konflikte zu entwickeln. Die Beherrschung des Weltraums sei zu sichern, die britische und französische Nuklearstreitmacht zu entwickeln. In der Dritten Welt sollten die USA ihre strategischen Interessen nach Ansicht der Kommission durch eine verstärkte und besser verteilte Militärhilfe und die Unterstützung antikommunistischer Rebellen schützen.
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